Tschernobyl liegt nicht in Russland: Eine Geographiestunde zum Reaktorunglück

Geschichte
GEORGI MANAJEW
33 Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl ruft eine neue Miniserie auf HBO die Ereignisse zurück ins Gedächtnis. Überraschenderweise glauben viele Menschen, dass Tschernobyl eine russische Stadt sei.

1. Wo ist es passiert?

Die Katastrophe ereignete sich am 26. April 1986 in einem Reaktor des Kernkraftwerks Tschernobyl in der Nähe der Stadt Pripjat. Dieser Ort befindet sich in der heutigen Ukraine, war jedoch 1986 noch Teil der UdSSR. Der Grund, warum das Ereignis so oft mit Russland verbunden wird, ist, dass neben der Ukraine, Weißrussland und verschiedenen anderen Sowjetrepubliken auch große Teile sowie die Bevölkerung des heutigen Russlands von den Umweltschäden, die aus dem Unglück resultierten, betroffen waren. 

2. Welche Gebiete wurden wann evakuiert?

Einige Tage lang hielten die Behörden den Vorfall geheim, aus Angst vor einer Massenpanik. Die Strahlenbelastung der Umgebung war in der Zwischenzeit dramatisch gestiegen. 36 Stunden nach dem Unglück begann die dem Reaktor nächstgelegene Stadt Pripjat mit der Evakuierung der Bevölkerung. Es war ein warmer Tag und die Menschen verließen die Stadt mit ihren Kindern und Habseligkeiten leichtbekleidet zu Fuß oder mit Lastwagen. Doch diese Menschen setzten sich auch einer tödlichen Strahlendosis aus.

Noch immer ist unklar, wie viele Menschen tatsächlich verstrahlt wurden. In den darauffolgenden Tagen wurde das Evakuierungsgebiet auf zehn Kilometer um den Reaktor ausgeweitet, dann auf 30 Kilometer. Am 28. April 1986 berichteten die zentralen sowjetischen Nachrichtenagenturen von dem Reaktorunfall, doch Hinweise, wie man sich vor einer Kontamination schützen könnte, gab es keine.

Am 1. Mai, ein Feiertag in der UdSSR, fand in Kiew eine große Versammlung statt. Wladimir Wassiljewitsch Schtscherbitzki, Vorsitzender der Kommunistischen Partei der Ukraine, war dort mit seiner Frau und seinen Kindern anwesend. Er wusste, dass dies gefährlich werden konnte, doch wagte es nicht, sich den Anweisungen aus Moskau entgegenzustellen.  

3. Welche Gebiete waren betroffen?

Bei der Explosion wurden bis zu 50 Tonnen radioaktives Material freigesetzt. Die Strahlenwolke zog über den europäischen Teil der UdSSR und dann weiter über Osteuropa, Skandinavien, Großbritannien und die östlichen Teile der USA hinweg. Gebiete in Weißrussland und der Ukraine waren am stärksten betroffen. Es gab Gerüchte, dass die Sowjetunion künstliche Regenwolken erzeugt habe, um die radioaktiven Partikel über den weniger dicht besiedelten Gebieten Weißrusslands niedergehen zu lassen, bevor die tödliche Wolke Zentralrussland und Moskau erreichte. Welchen Schaden diese Entscheidung verursacht hat, ist nicht bekannt. Durch die Explosion wurde ein Gebiet von rund 200 000 Quadratkilometern mit Uran- und Plutoniumisotopen, Jod-131, Cäsium und Strontium-90, allesamt radioaktiv und gesundheitsschädlich, verseucht.

4. Welche Langzeitfolgen gab es?  

Rund fünf Millionen Hektar Land waren nach der Katastrophe als landwirtschaftliche Fläche unbrauchbar. Bis 2011 wurde etwa ein Drittel dieses Gebiets rekultiviert und wieder bewirtschaftet. Rund um die Stadt Tschernobyl wurde dauerhaft eine Sperrzone mit einem Radius von 30 Kilometern um den Reaktor eingerichtet. Diese Sperrzone hat eine Fläche von etwa 2 600 Quadratkilometern. Innerhalb der Zone arbeiten rund 5 000 Menschen ununterbrochen an der Beseitigung der Folgen des Reaktorunglücks. Die meisten von ihnen leben in der nahe gelegenen Stadt Slawutitsch. Es gibt mehr als 300 Menschen, die freiwillig in der Zone leben. Dort haben auch verschiedene Tiere, Fische und Vögel überlebt.

Das verseuchte Gebiet geht jedoch über die Sperrzone hinaus. In den 1990er Jahren wurden daher viele Städte und Dörfer entvölkert. Am 26. April 2016 wurde das Biosphärenreservat Tschernobyl gegründet, um die Folgen der Katastrophe weiter zu minimieren und die verbleibenden natürlichen Ressourcen zu erhalten und wiederherzustellen. Die offizielle Fläche des Naturschutzgebietes beträgt ungefähr 227 Hektar.

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