Die bewegte Geschichte des Moskwitsch: Wie die Sowjets den Amerikanern ein Auto verkaufen wollten

Geschichte
JEKATERINA SINELSCHTSCHIKOWA
Der Moskwitsch war das Volksauto der UdSSR und sollte auch den US-Markt erobern. Dabei lief nicht alles nach Plan. Die Geschichte eines Moskwitsch, der es nach Übersee schaffte, ist filmreif.

Joseph Stalin war ein leidenschaftlicher Liebhaber ausländischer Autos. Nachdem er 1940 auf einer Ausstellung im Kreml Modelle von Opel und Ford gesehen hatte, wollte er auch ein UdSSR-Massenprodukt. Sein Wunsch war Befehl und erwies sich als die Geburtsstunde des Moskwitsch. Eine sowjetische Delegation reiste nach Detroit in die USA. Mit Unterstützung der dortigen Automobilhersteller wurde in der Sowjetunion das Moskwitsch-Werk gegründet, das bis zum Zusammenbruch der UdSSR existierte. Der Moskwitsch war das erste Volksauto der UdSSR, mit dem man sich auch im Westen nicht blamierte.  

Das erste Moskwitsch-Modell erschien 1947 und wurde einige Jahre später bereits erfolgreich nach Ägypten exportiert und sogar ins „kapitalistische“ Frankreich sowie nach Norwegen. Der bloße Zugang zum US-amerikanischen Markt wäre ein großer Erfolg gewesen, und der Slogan „Amerika einholen und überholen“ war damals Teil der staatlichen Entwicklungsstrategie. Im Herbst 1959 war es beinahe soweit. Stalin war bereits tot. Ihm folgte Nikita Chruschtschow als Sowjetführer. Dieser traf sich mit Dwight Eisenhower, damals 34. Präsident der Vereinigten Staaten.

Alexander Andronow, Chefingenieur des Moskwitsch-407, behauptete, dass Eisenhower während der Gespräche sein Einverständnis für den Verkauf des sowjetischen Autos auf dem US-Markt gegeben habe. Wenn er sein Amt aufgibt, wird er froh sein, ein solches Auto auf seiner Ranch zu haben, schrieb Andronow in seinen Memoiren. Im gleichen Jahr veröffentlichte „Associated Press“ ein Foto eines Moskwitsch auf der 7th Avenue mit der Bildunterschrift: Bald werden 10.000 solcher Fahrzeuge in den USA ankommen. 

Zu einer Zeit, als in der Sowjetunion kein einziges amerikanisches Auto verkauft wurde, war dies ein Meilenstein für die UdSSR. Und tatsächlich wurde eine Vereinbarung mit einem US-Importeur getroffen. Doch die 10.000 Moskwitschs kamen nie in den Staaten an. Was war geschehen? Über sowjetischem Territorium wurde der US-Amerikaner Gary Powers in einem U-2-Spionageflugzeug abgeschossen. Der folgende internationale Skandal war das erste, aber nicht das einzige Hindernis.

Der US-Handelsminister hatte sich schon im Vorfeld ablehnend zu den Importplänen geäußert. Grund war ein Gesetz gegen Dumpingpreise. Die UdSSR wollten ihr Volksauto in den USA für den lächerlichen Preis von nur 1.500 US-Dollar verkaufen. Ein amerikanisches Unternehmen hatte zudem geklagt, weil im Sowjetauto angeblich eine Komponente mit einem US-Patent verbaut worden war. Es sah schlecht aus für das Fahrzeug aus der Sowjetunion. In den späten 1950er Jahren gelangten dennoch drei Moskwitschs in die USA. Sie wurden von Privatleute gekauft. Einer fiel einem Feuer zum Opfer, die Spuren des zweiten verloren sich irgendwann in Detroit, aber die Geschichte des dritten Fahrzeugs ist filmreif. „Sa Rulem” (zu Deutsch Am Lenkrad) veröffentlichte sie im Juli 1988.

Anfang 1958 wurde der Moskwitsch in Europa von einem Amerikaner gekauft. Von Amsterdam sollte es per Schiff nach Los Angeles gehen. Doch der Zoll verweigerte die Einfuhr, weil der Moskwitsch den US-Vorschriften nicht entsprach. Zudem waren beim Verladen die Türen beschädigt worden. Der Besitzer beschloss nun, das Fahrzeug nach Mexiko liefern zu lassen, um es dort zu verkaufen. Kaum in Mexiko angekommen wurde der Moskwitsch gestohlen und tauchte wenig später ausgerechnet in Los Angeles wieder auf.

Das Auto war ausgeschlachtet worden. Was übrig war, wurde auf Veranlassung der Polizei zu einem örtlichen Schrottplatz gebracht. Bev Kidwell, der Schrottplatzbesitzer, interessierte sich für das unbekannte Auto. Er reparierte es, fuhr ein bisschen damit herum, doch dann geriet der Moskwitsch wieder in Vergessenheit.

Solange bis ein alter Bekannter Kidwells dringend ein Auto benötigte. Kidwell konnte ihm nur noch den Moskwitsch anbieten, für den er keine Papiere besaß. Zufällig arbeitete der Bekannte aber beim Department of Motor Vehicles und konnte so den Moskwitsch nachträglich registrieren lassen. Kidwell kaufte das Auto schließlich für 35 US-Dollar vom US-Bundesstaat Kalifornien. Dann rostete das Sowjetauto erst einmal wieder 20 Jahre auf Kidwells Schrottplatz vor sich hin, bis dieser den Platz 1981 aufgab und das Auto inserierte.

Der Sammler Gary Bricken entdeckte die Anzeige und kaufte das Auto in sehr schlechtem Zustand für 300 US-Dollar. Nun stand Bricken vor der Herausforderung, Ersatzteile für den Moskwitsch zu bekommen. Es war eine langwierige Suche, teils wurde er in Europa fündig oder musste monatelang auf die Lieferung warten. Nachdem er schließlich alle nötigen Teile zusammen hatte, brachte er das Auto zu einem Mechaniker.

Einige Tage später waren Mechaniker und Auto verschwunden. Nach sechs Wochen der Suche entdeckte er den Moskwitsch in einer Scheune acht Kilometer außerhalb der Stadt wieder. Insgesamt kostete es Bricken 4.400 US-Dollar, den „Sohn Moskaus”, wie er das Auto liebevoll nannte, restaurieren zu lassen.

Als er die sowjetische Rarität auf einer lokalen Automobilausstellung in Texas präsentierte, waren die sowjetische Flagge und die Buchstaben „CCCP“ (UdSSR) auf dem Nummernschild deutlich zu erkennen. Das missfiel einigen Leuten, so dass Bricken sogar Besuch vom FBI bekam, das ihn zu möglichen Kontakten zu Kommunisten verhörte.  

Die lang erwartete Anerkennung kam erst 1987 auf einer prestigeträchtigeren Automobilausstellung ebenfalls in Texas, wo das Auto den ersten Preis gewann und in der Kategorie People's Choice hinter einem Cobra 427 und einem BMW M-1, der eine viertel Million wert war, den dritten Platz belegte.

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