Das Wort „Gulag“ wird insbesondere in westlichen Medien oft verwendet, um sowjetische Gefängnisse oder Lager zu beschreiben. Tatsächlich ist Gulag eine russische Abkürzung für Generaldirektion für Zwangsarbeitslager. Diese bestand von 1930 bis 1960. Gewissermaßen als Staat im Staat war die Generaldirektion für mehr als 30 000 dieser Haftanstalten verantwortlich.
Unter Josef Stalin wurde ein System geschaffen, mit dem Millionen von Gefangenen gezwungen wurden, Städte, Kanäle und Fabriken zu bauen, Gold und Uran zu schürfen und die unbewohnbaren Gebiete jenseits des Polarkreises und in Kolyma zu erschließen.
Nach Angaben des Gulag-Museums waren es insgesamt 20 Millionen Häftlinge. Mindestens 1,7 Millionen Menschen starben an Hunger, Erschöpfung, Krankheit oder wurden hingerichtet. Darunter waren sowohl echte Kriminelle als auch völlig Unschuldige, deren „Straftat“ ihre politische Gesinnung war.
Welche der Gulag-Lager waren die schlimmsten? Wo waren die meisten Häftlinge untergebracht? Welches Lager hatte die größte Bedeutung für die sowjetische Wirtschaft? Wir sind auf Spurensuche gegangen.
Lage: Solowezki-Inseln
Maximale Belegung: 71 800
Solowki, die „Mutter” aller sowjetischen Straflager gab es schon lange, bevor es offiziell den Gulag gab. Auf dem Gelände probte man den massenhaften Arbeitseinsatz von Strafgefangenen.
Auf den eisigen Inseln im Weißen Meer mussten zehntausende Häftlinge Bäume fällen, Straßen bauen und Sumpfgebiete entwässern.
Anfangs waren die Bedingungen noch relativ locker, doch in den späten 1920er Jahren wandelte sich Solowki in eine echte Hölle.
Unkooperative Gefangene wurden mit Stöcken geschlagen, gefoltert, ertränkt. Alexander Solschenizyn beschrieb Solowki in seinem Werk „Das Gulag-Archipel“ als „polares Auschwitz“.
In den frühen 1930er Jahren wurde Solowki aufgelöst und die Gefangenen in andere Lager verlegt. Die Generalprobe war aus Sicht der Offiziellen erfolgreich und nun war es an der Zeit, das System im gesamten Land zu installieren.
Lage: Karelien
Maximale Belegung: 108 000
Mit BelBaltLag begann die Geschichte der „großen kommunistischen Bauvorhaben“, realisiert durch den Einsatz von Zwangsarbeitern.
Die Insassen des neuen Lagers sollten einen 227 Kilometer langen Kanal als Verbindung zwischen dem Weißen Meer und dem Onegasee bauen. Im Sommer 1933 war der Kanal fertig.
Die Arbeitsbedingungen hätten kaum schlechter sein können. Die einzigen Werkzeuge waren Schaufeln und Hacken – keine schweren Arbeitsgeräte. Diejenigen, die ihre Ziele nicht erreichten, bekamen weniger zu essen und ihre Haftzeit wurde verlängert.
Allein nach offiziellen Angaben (rus) starben 12 000 Menschen beim Bau des Weißmeer-Ostsee-Kanals. Das Lager bestand bis 1941, dann wurde es aufgelöst, weil man die Arbeitskräfte für den Großen Vaterländischen Krieg benötigte.
Lage: Amur Region
Maximale Belegung: 200 000
Selbst im Vergleich zu anderen Gulag-Bauprojekten war die Baikal-Amur-Eisenbahntrasse (BAM) gigantisch: 4 000 Kilometer Strecke von Taischet in Sibirien nach Sowetskaja am Rande des russischen Fernen Ostens waren geplant.
Gefangene aus der ganzen UdSSR wurden dorthin verschifft. „Immer wenn die Bauarbeiten hinter dem Zeitplan zurückblieben, musste länger gearbeitet werden. Der Arbeitstag hatte oft 16 oder 18 Stunden“, schreibt (rus) der Historiker Sergej Papkow in seinem Buch „Stalinistischer Terror in Sibirien”.
Doch der Einsatz von Zwangsarbeitern war nicht effizient, die Bedingungen vor Ort extrem schwierig. Vor dem Krieg wurde die BAM nicht fertig. Das Projekt lag bis in die 1980er Jahre auf Eis. Beendet wurde es, doch nicht von Zwangsarbeitern.
Lage: Region Moskau
Maximale Belegung: 192 000
Ein weiteres wichtiges Bauprojekt für Gulag-Häftlinge war der Bau des Moskwa-Wolga-Kanals. Die Arbeit war hart, doch im Vergleich zu anderen Lagern galten die dortigen Bedingungen noch als erträglich.
„DmitrowLag war so eine Art Vorzeige-Gulag. Die Sterblichkeitsrate war relativ gering, die Arbeitstage durchschnittlich lang, es gab ein Gehalt und vorzeitige Entlassungen”, berichtet Ilja Udowenko vom Gulag-Museum. Dies lag unter anderem an der Nähe zu Moskau. Es ist eine Sache, wenn Tausende Verurteilte in den entlegenen Wäldern Sibiriens sterben, eine andere, wenn dies vor den Augen der Hauptstadtbewohner geschieht.
Lage: Kolyma
Maximale Belegung: 190 000
Die UdSSR gab den Lagerinsassen, die an die Küste des Ochotskischen Meeres geschickt wurden, den Auftrag, Gold und Zinn abzubauen und eine Infrastruktur zu etablieren, die dem brutalen Klima trotzt. So entstand in den 1930er Jahren die Stadt Magadan.
Das SewwostLag war der Vorläufer des Lagers von Kolyma. Dieses wurde von Dalstroi betrieben, einem staatlichen Trust für die Entwicklung des Fernen Ostens. Die Lagerbedingungen in den späten 1930er Jahren dort waren unmenschlich. „Um einen gesunden jungen Mann in ein physisches Wrack zu verwandeln, braucht man 20 bis 30 Tage, 16 Stunden, sieben Tage in der Woche, permanenten Hunger, zerlumpte Kleidung und Nächte bei -60 ° C unter einer löchrigen Plane als Zelt. Dafür gibt es genug Beispiele”, schrieb Warlam Schalamow, der mehr als zehn Jahre dort verbrachte. Nach russischen Berichten (rus) starben in Kolyma mindestens 150 000 Menschen.
Lage: Workuta
Maximale Belegung: 72 900
Workuta ist eine Polarstadt, die von Gulag-Insassen erbaut wurde. Das Stadtbild wurde von einem Kohlekraftwerk geprägt.
Während des Krieges versorgte WorkutLag das Land nicht nur mit Kohle, sondern nahm auch „besonders gefährliche“ Verbrecher auf, die zu Zwangsarbeit verurteilt wurden.
Die Produktionsvorgaben stiegen immer weiter und die Arbeitsbedingungen waren unwürdig. Die Unzufriedenheit der Gefangenen erreichte 1942 ihren Höhepunkt und gipfelte im Ust-Usa-Aufstand. Nachdem die Aufseher entwaffnet waren, versuchten die Gefangenen, die Bewohner der umliegenden Dörfer aufzustacheln. Der Aufstand wurde schließlich von NKWD-Truppen niedergeschlagen.
Lage: Bei Karaganda, Kasachstan
Maximale Belegung: 65 000
Im Gegensatz zu den Lagern, die mit den „großen Baustellen“ verbunden waren, etablierte die Sowjetregierung KarLag als ständige Einrichtung. KarLag-Häftlinge hatten die Aufgabe, Lebensmittel, Kleidung und andere Waren für ganz Nordkasachstan herzustellen.
Im Lager saßen vor allem „Politische”, darunter Angehörige von Deportierten und mutmaßliche Kollaborateure der Deutschen im Zweiten Weltkrieg.
Dort befand sich auch das berüchtigte Alschir, das Akmolinsker Lager der Frauen von sogenannten Heimatlandverrätern, die dort mit ihren Kindern einsaßen. Nach sowjetischem Recht war es auch ein Verbrechen, mit einem Verräter verwandt zu sein. Einige spätere Sowjetbürger hatten das zweifelhafte Glück, dort geboren zu werden. Zwischen 1931 und 1959 kamen in KarLag 1 507 Babys zur Welt.
Der Artikel entstand mit Unterstützung des Gulag-Museums.
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