Die „Library of Congress“ (zu Deutsch Kongressbibliothek), kurz LoC, hat in ihrem Bestand mehr als 700.000 Bücher, Fotografien und Manuskripte aus Russland sowie in russischer und anderen slawischen Sprachen. Viele dieser Artefakte sind von unschätzbarem Wert. Die bedeutendste Bibliothek in den Vereinigten Staaten besitzt das größte Archiv russischer Werke im Ausland.
Die Geschichte der Russen in Amerika
In der LoC finden sich zahlreiche Dokumente aus der Zeit, in der russische Seefahrer in den USA mehrere Siedlungen gegründet haben. Diese liegen nicht nur in Alaska, sondern auch auf Hawaii und in Kalifornien, zum Beispiel in San Francisco.
Diese Dokumente belegen, dass die Russen schon im 17. Jahrhundert, vor der offiziellen Entdeckung im Jahr 1732, im nördlichsten Bundesstaat der USA Alaska waren, den sie 1867 an die Amerikaner verkauften. Die Namen der ersten Besucher sind nicht überliefert, doch sie sind zu Zeiten von Iwan dem Schrecklichen mit sieben Schiffen in Weliki Nowgorod aufgebrochen.
Viele dieser Berichte stammen aus der Sammlung von Gennadi Yudin, einem Kaufmann aus Krasnojarsk. Er besaß über 80.000 seltene Bücher, Zeitschriften und Manuskripte des 13. bis 19. Jahrhunderts, darunter die Erstausgaben von Michail Lomonossow und Alexander Radischtschew sowie Bücher über die Erforschung Sibiriens.
Im frühen 20. Jahrhundert, als sein Geschäft kurz vor dem Bankrott stand, beschloss Yudin, seine Sammlung zu verkaufen - er bot sie sogar Kaiser Nikolaus II. an. Er verlangte zunächst 250.000 Rubel (was heutzutage etwa 2,8 Millionen Euro entspricht) und senkte den Preis, da sich kein Käufer fand, auf 150.000 Rubel. Schließlich ging seine Sammlung für 100.000 Euro an die LoC. 1907 kam sie in die USA. Inzwischen finden sich einige Stücke der Sammlung auch in anderen US-Bibliotheken und Instituten.
Fotoarchiv Prokudin-Gorski
Ein Großteil des Erbes des russischen Fotopioniers Sergei Prokudin-Gorski befindet sich heute in der LoC. Im frühen 20. Jahrhundert erfand er eine neue Farbfotografietechnik und reiste in viele Städte des russischen Reiches, um den Alltag zu dokumentieren. Dank ihm wissen wir, wie Leo Tolstoi und Fjodor Schaljapin aussahen und haben eine realistische Vorstellung vom Leben der Bewohner in den verschiedenen russischen Regionen.
Nach der bolschewistischen Revolution verließ Prokudin-Gorski Russland und arbeitete weiter in Europa. Er hinterließ mehr als 3.500 Negative von Farbfotos. 2.300 gelangten auf unbekannten Wegen in den 1930er Jahren nach Paris wieder in seinen Besitz. Einige gingen verloren. Nach dem Tode des Fotografen waren es noch 1.900, die seine Erben in die USA verkauften.
Es sind überwiegend Aufnahmen aus Regionen wie dem Ural, dem Kaukasus, Turkestan, der Wolga, Oka oder Kleinrussland. Zum 100. Jahrestag des Vaterländischen Krieges von 1812 gibt es eine eigene Fotoreihe. Die Aufnahmen wurden digitalisiert und können auf der LoC-Webseite angesehen werden. Neben den Negativen umfasst die Sammlung mehr als 2.400 gedruckte Farbfotos.
Was mit den etwa 1.200 Negativen passiert ist, die in der UdSSR verblieben sind, ist nicht bekannt. Es wird vermutet, dass es sich dabei um Fotografien der kaiserlichen Familie gehandelt hat. Er hatte sie anlässlich des 300. Jahrestages der Machtübernahme der Romanow-Dynastie abgelichtet.
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Die ersten gedruckten Bücher Russlands
In der Abteilung für seltene Ausgaben der Bibliothek befinden sich rund 4.000 alte russische Bücher aus dem 16.-18. Jahrhundert aus der Yudin-Sammlung. Darunter ist auch ein Replik des Apostolos von 1564, des ersten in Russisch gedruckten Buches mit Erscheinungsdatum. Dies war ein Liturgieleitfaden mit Auszügen aus dem Neuen Testament.
Die Bibliothek der Zaren
In den 1930er Jahren erwarb die LoC 2.600 Exemplare aus der persönlichen Bibliothek der Romanows vom New Yorker Buchhändler Israel Perlstein. 1925 besuchte er die UdSSR und verhandelte über den Kauf der kaiserlichen Bibliothek, die sich im Keller des Winterpalastes befand. Historikern zufolge trat Perlstein möglicherweise als Vermittler auf, da die UdSSR und die USA zu diesem Zeitpunkt keine diplomatischen Beziehungen unterhielten.
Die Sammlung umfasste Bücher des 18. bis 19. Jahrhunderts in russischer, englischer, deutscher und französischer Sprache, von denen viele handschriftliche Notizen des Kaisers und seiner Familienangehörigen enthielten. Der größte Schatz in dieser Sammlung sind jedoch Noten, nämlich die Originalpartituren von Michail Glinkas Oper „Ruslan und Ljudmila“ (1878) und von Nikolai Rimski-Korsakows „Das Mädchen von Pskow“ (1894).