Verbotene Liebe: Der siamesische Prinz und seine russische Frau

Geschichte
ALEXANDRA GUSEWA
Ihre Verbindung galt Ende des 19. Jahrhunderts als nicht standesgemäß. Dennoch überstand ihre Liebe viele Herausforderungen.

Ein siamesischer Prinz in St. Petersburg

Der letzte russische Zar, Nikolaus II., spielte keine unbedeutende Rolle in dieser romantischen Geschichte. Als er noch Thronfolger war, in den 1890er Jahren, reiste er durch Fernost und besuchte auch das damalige Königreich Siam, das heutige Thailand.

1897, als Nikolaus II. dann russischer Kaiser war, stattete der siamesische König ihm einen Gegenbesuch ab. Die beiden Herrscher stellten offizielle diplomatische Beziehungen her und Nikolaus schlug König Rama V. vor, einen seiner Söhne in Russland studieren zu lassen. So kam ein Jahr später Chakrabongse, der dritte Sohn des Königs, nach St. Petersburg. Nikolaus II. finanzierte die Ausbildung des Prinzen in Russland, schrieb ihn beim Pagenkorps ein, einer Militärakademie, an der die Söhne des Adels ausgebildet wurden, und holte ihn in den Winterpalast.  

Chakrabongse war ein guter Student und erhielt zudem eine hervorragende militärische Ausbildung. Nach seinem Abschluss im Jahr 1901 trat er einem Husarenregiment bei. Auf Einladung seines russischen Freundes begann Chakrabongse Zusammenkünfte gebildeter junger Leute zu besuchen. Bei einer dieser Veranstaltungen traf er auf die hellhäutige und rothaarige Jekaterina Desnizkaja. Sie ging ihm nicht mehr aus dem Sinn.

Heimliche Hochzeit

Jekaterina war in Kiew aufgewachsen. Ihr Bruder Iwan studierte an der Universität St. Petersburg und als ihre Mutter 1903 starb, zog Jekaterina zu ihm in die Hauptstadt, wo sie eine Ausbildung zur Krankenschwester absolvierte. Bevor sie den siamesischen Prinzen traf, hatte sich Jekaterina gerade für den Lazarettdienst im russisch-japanischen Krieg gemeldet. Chakrabongse sorgte sich um Jekaterina und wartete auf ihre Heimkehr.

Wir kennen die Details dieser unglaublichen Geschichte der beiden dank des Buches „Katja und der Prinz von Siam“, das ihre Enkelin Narisa Chakrabongse in Zusammenarbeit mit ihrer Tante, der Schriftstellerin Eileen Hunter, geschrieben hat. Sie studierten das Familienarchiv, die Briefe und Tagebücher von Jekaterina und Chakrabongse und erzählten der Welt von ihrer romantischen Liebesgeschichte.

Als Jekaterina aus dem Krieg zurückkehrte, beschloss Chakrabongse, sie zu heiraten. Ihm war bewusst, dass seine Familie seine Wahl nicht billigen würde. Eine hellhäutige Ausländerin wäre in der königlichen Familie nicht willkommen gewesen.

Der Prinz hielt seine Absichten sogar vor Nikolaus II. geheim, weil er befürchtete, der russische Zar würde der jungen Frau die Ausreise verweigern. „Also haben sie Russland alleine und heimlich verlassen“, sagt ihre Enkelin Narisa Chakrabongse.

Jekaterinas Bruder gab seinen Segen zu der Ehe, rang aber Chakrabongse das Versprechen ab, eine kirchliche Hochzeit nachzuholen. Also brachte der Prinz die Braut nach Konstantinopel. Chakrabongse konvertierte zum orthodoxen Christentum und heiratete seine Jekaterina.

Prinzessin hinter verschlossenen Türen

Der Hof des siamesischen Königs akzeptierte Chakrabongses morganatische Ehe nicht. Als das Paar noch einmal nach Russland reiste, gab Nikolaus II. einen Empfang zu Ehren Chakrabongses. Jekaterina war dazu nicht eingeladen.  

In Siam unterstützte Chakrabongse seinen Vater aktiv und beriet ihn in militärischen Angelegenheiten, wie er es in Russland gelernt hatte (er führte sogar mehrere Armeereformen nach russischem Vorbild durch). Seine Frau musste die meiste Zeit im Palast verbringen. Sie war weder am Hof noch anderswo willkommen. Aber Jekaterina verlor nicht den Mut´. Sie kümmerte sich um die Inneneinrichtung und den Haushalt und lernte fleißig die thailändische Sprache, was der einzige Weg war, einen Zugang zur Familie zu bekommen. Die Königinmutter wurde über die Bemühungen der Schwiegertochter informiert. Sie bat Chakrabongse, seine russische Frau siamesisch kleiden zu lassen, und besuchte Jekaterina.

Bald starb der König und der Thron ging an Chakrabongses älteren Bruder. Erst dann wurde die Ehe des Prinzen mit einer ausländischen Frau anerkannt und Jekaterina wurde der Titel einer Herzogin verliehen.

Während des Ersten Weltkriegs widmete Chakrabongse noch mehr Zeit militärischen Angelegenheiten, während Jekaterina sich Sorgen um ihr Heimatland machte, insbesondere als 1917 beunruhigende Nachrichten über die Revolution und den Bürgerkrieg aus Russland kamen. Die Beziehung zwischen ihnen war angespannt, was nicht besser wurde, als Chakrabongse, der bis dahin monogam gewesen war, beschloss, der siamesischen Tradition zu folgen und sich eine zweite Frau zu nehmen. Jekaterina war nicht bereit, eine solche Demütigung zu akzeptieren. Sie forderte die Scheidung und ging nach China, wohin ihr Bruder Iwan während des Bürgerkriegs geflohen war. 1920 zog sich Chakrabongse eine schwere Erkältung zu. Er starb ein Jahr, nachdem er ein zweites Mal geheiratet hatte an Lungenentzündung.

Die Nachkommen

In China heiratete Jekaterina einen Amerikaner und zog später mit ihm nach Paris. Ihr Sohn Chula war zurückgeblieben, um in der Obhut der siamesischen Königsfamilie aufzuwachsen. Später wurde er nach England geschickt und heiratete ebenso wie sein Vater gegen den Willen der Familie. Seine Braut war eine Engländerin, Elizabeth Hunter, und so beschloss Chula, in England zu bleiben. Er wurde Historiker und schrieb mehrere Bücher über die Chakri-Dynastie, die noch immer in Thailand regiert.

Ihre Tochter Narisa pendelt zwischen Bangkok und London - und verbringt viel Zeit am thailändischen Königshof. Sie spricht fließend Thailändisch und Englisch, aber kein Russisch. Sie reiste jedoch viel in Russland umher und fuhr sogar mit der berühmten Transsibirischen Eisenbahn.

Narisa sah ihre russische Großmutter nur einmal, als sie klein war. Narisas Sohn Hugo ist ein berühmter Musiker.