Von Legenden befreit: Prinz Philips Besuch im Fernen Osten Russlands im Jahr 1997

Wiktor Nikiforow
Diese Reise des Prinzgemahls fand in Großbritannien wenig Beachtung und wurde in Russland falsch dargestellt.

 Die Geschichte des Besuchs des Herzogs von Edinburgh im Fernen Osten Russlands im Jahr 1997 wurde im Vereinigten Königreich nicht groß veröffentlicht, weil es angeblich keine „sensationellen“ Ereignisse gab. In Russland jedoch wurden verschiedene -erfundene- Geschichten über den Besuch verbreitet.

Einige Publikationen berichteten, dass die Landung des Prinzen eine ungeplante Improvisation war, die durch einen Umweltskandal verursacht wurde, in den lokale russische Beamte verwickelt waren, die angeblich das Fell eines Amur-Tigers verwendeten.

Jahre später hieß es in Online-Publikationen, dass der Herzog von Edinburgh selbst am Steuer des Flugzeugs gesessen und sich zur Landung im Fernen Osten entschlossen habe. Darüber hinaus wurde berichtet, dass der Ehemann von Königin Elisabeth II., Prinz Philip, der am 9. April 2021 verstarb, nach der Landung des Flugzeugs seine Eskorte verließ und sich in der Wildnis verirrte, einige kleine Abenteuer erlebte, bevor er gefunden und in einem schäbigen Hotel untergebracht wurde. 

In Wirklichkeit ist die Geschichte des royalen Trips jedoch weit weniger dramatisch. Im Jahr 1996 war Prinz Philip gerade von seinem Amt als Präsident des World Wildlife Fund for Nature zurückgetreten, behielt aber den Status eines Ehrenpräsidenten der Organisation, die sich für die Erhaltung der Wildnis einsetzt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der WWF bereits eine Vertretung in Russland eröffnet, um sich für die Erhaltung von vom Aussterben bedrohten Tieren wie dem Amurtiger, dem fernöstlichen Leoparden, dem Eisbären, dem Schneeleoparden, dem atlantischen Walross, dem Bison und anderen einzusetzen. 

In seiner Eigenschaft als Ehrenpräsident besuchte der Herzog von Edinburgh WWF-Projekte in über fünfzig Ländern, darunter auch Russland. Am 15. März 1997 landete sein Flugzeug auf dem internationalen Flughafen von Chabarowsk im Fernen Osten Russlands.

Prinz Philip (v.l) und Wiktor Nikiforow (v.r). Nikiforow arbeitet derzeit als Naturschutzdirektor beim Tigrus Conservation Fund.

Auf Prinz Philips Reiseplan stand der Besuch des Bolshekhekhtsirsky-Naturschutzgebiets, ein Treffen mit lokalen Beamten - darunter dem Gouverneur der Region - sowie mit WWF-Mitarbeitern.

Bei seiner Ankunft auf dem Flughafen in Chabarowsk wurde Prinz Philip von einigen Funktionären empfangen, unter anderem von Victor Nikiforow, dem Direktor für Naturschutz des WWF-Büros in Moskau.

„Die wichtigste Bitte war, keine Fotos von Prinz Philip zu machen, und wenn wir doch ein Foto machen wollten, dann sollten wir um Erlaubnis bitten. Damals gab es noch keine Mobiltelefone, sondern nur Filmkameras, und das machte es einfacher, der Aufforderung nachzukommen", so Nikiforow.

Nikiforow gehörte zu der kleinen Gruppe von Personen, die Prinz Philip in das Naturschutzgebiet begleiteten. Die Besucher verbrachten viel Zeit miteinander, unterhielten sich, speisten an einem Tisch und wohnten im selben Hotel. „Als wir ihn zum ersten Mal ansprachen, benutzten wir den Titel ‚Eure Königliche Hoheit‘, aber schon bald ließen wir die Förmlichkeiten hinter uns", erinnere sich Nikiforow. Als die Expedition fortschritt und die Interaktion zwischen dem Königshaus und den russischen Führern zur Routine wurde, zeigte sich hinter der Fassade eines Mitglieds der britischen Königsfamilie eine liebenswürdige Persönlichkeit und der Charakter eines Abenteurers.

„Trotz seines Alters, Prinz Philip war zum Zeitpunkt des Besuchs 76 Jahre alt, war er in hervorragender Verfassung, hatte eine militärische Haltung und steuerte ein Flugzeug bei Starts und Landungen. Er winkte zum Beispiel zum Abschied auf der Rampe und ging dann ins Cockpit, um als Kopilot zu starten", so Nikiforow.

Neben den protokollarischen Ereignissen, Pressekonferenzen und Reden interessierte sich Prinz Philip vor allem für die Beobachtung von Tigern im Reservat. Da es schwierig sein kann, Tiger zufällig zu entdecken, hatten örtliche russische Wildhüter einen Fußabdruck eines Tigers konserviert, um ihn Prinz Philip zu zeigen, falls sie keinen echten Tiger finden sollten.

Obwohl alle Aspekte der Reise genau überwacht und streng kontrolliert wurden, gab es immer noch Raum für lustige Missgeschicke. Einmal stolperte ein einheimischer Kameramann, der Prinz Philip beim Rückwärtsgehen filmte, und fiel direkt vor dem Herzog von Edinburgh in den Schnee. Prinz Philip, der selbst in der russischen Wildnis die lästige Aufmerksamkeit der Kameraleute demütig ertrug, knurrte die Crew wütend an, die sofort von der Bildfläche verschwand und den Royal die Natur alleine genießen ließ.

Wiktor Nikiforow im Flugzeug von Prinz Philip.

Bei seiner Abreise aus Russland überreichte Prinz Philip den einheimischen Reiseführern ein persönliches Geschenk: ein handsigniertes Porträt in einem Rahmen. Nachdem er einige Flaschen Wodka aus lokaler Produktion erhalten hatte, überreichte der Herzog von Edinburgh den Russen auch einen Krug Sake, den er von den Japanern geschenkt bekommen hatte.

Im Übrigen schätzten die Russen die Gesellschaft von Prinz Philip ebenso sehr wie seinen Beitrag zu ihrem Naturschutzprojekt im Jahr 1997. „Er war ein vernünftiger, fröhlicher und liebenswürdiger Mensch. Sein Besuch im Fernen Osten Russlands kam unserem Land in den Jahren der Kapitalakkumulation sehr zugute. Es war sehr wichtig, dass der Umweltschutz nicht kommerzialisiert wurde in einer Zeit, in der viele Bereiche in Russland infolge des Zusammenbruchs der Sowjetunion und des anschließenden Übergangs zur freien Marktwirtschaft liberalisiert und kommerzialisiert wurden, sondern dass er durch den Besuch von Prinz Philip eine gewisse politische Öffentlichkeit erhielt", so Nikiforow.

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