Das älteste russische Fitnessstudio (FOTOS)

Geschichte
ANASTASIA SAFRONOWA
Möchten Sie Ihre Muskeln an fast schon historischen Sportgeräten stählen? Dann kommen Sie nach Russland!

Auf den ersten Blick sehen all diese Geräte gruselig aus und erinnern eher an Instrumente aus einer Folterkammer. Aber genau so sahen die ersten Trainingsgeräte vor mehr als einem Jahrhundert aus. Der erste Eindruck ist jedoch schnell vergessen, wenn die Nutzer die positiven Wirkungen des Trainings erleben. 

Die Zandersche Methode

Mitten im Park von Jessentuki (einer Kurstadt im Nordkaukasus, 1.500 Kilometer von Moskau entfernt) steht zwischen Mineralbädern und Wassergalerien ein jahrhundertealter Pavillon für Mechanotherapie. Heutzutage würde man Fitnessstudio dazu sagen. Die Anlage wurde 1902 eröffnet. Damals war die Stadt bereits ein sehr beliebter Ort für gesundheitsbewusste Menschen. Die frische Luft des Kaukasus und die großartigen Landschaften zogen auch allerlei Kreative als Urlaubsgäste an, die hier Entspannung und Inspiration suchten und fanden. So beschlossen die örtlichen Behörden, eine einzigartige Attraktion für ihre Touristen zu schaffen: einen Ort, an dem man die damals sogenannte Mechanotherapie praktizieren konnte. 

Der Begriff wurde von dem schwedischen Arzt Gustav Zander eingeführt, um eine Methode zur Behandlung bestimmter Krankheiten durch Massage und Bewegung mit Hilfe spezieller Trainingsgeräte zu definieren. Im Jahr 1865 eröffnete er in Stockholm das weltweit erste Institut für Mechanotherapie. Die Geräte ermöglichten es seinen Patienten, ohne Hilfe eines Assistenten zu trainieren.

Zanders Methode wurde in ganz Europa und darüber hinaus sehr populär. In Russland wurde Ende des 19. Jahrhunderts in St. Petersburg die erste medizinische Einrichtung für Mechanotherapie gegründet.

Der Pavillon in Jessentuki, in dem Zanders Geräte untergebracht waren, wurde zu einer Sensation. Die Einrichtung verfügte über Umkleideräume, Duschen, Kabinen für Massage und medizinische Behandlungen sowie Freizeiträume. Die riesige Trainingshalle war mit bis zu 60 Geräten ausgestattet. Einige waren für aktive Muskelübungen bestimmt, andere funktionierten mit speziellen Motoren und dienten der Massage. Unter anderem gab es Prototypen moderner Heimtrainer und Geräte, die das Reiten auf einem Pferd oder einem Kamel simulierten (beide mit Sätteln für Männer und Frauen ausgestattet). Menschen, die unter Knochen- und Gelenkproblemen, Schlaflosigkeit, Verdauungsstörungen oder Fettleibigkeit litten, drängten zum Sport. Es gab spezielle Trainingseinheiten für Männer, aber auch für Frauen und Kinder. 

Reise in einer Zeitmaschine

Der Pavillon der Mechanotherapie und seine Geräte überlebten die Revolution und beide Weltkriege. Das ganze Jahrhundert hindurch gab es immer Menschen, die sie für Training und Rehabilitation nutzten. 

Heute sind über 50 Geräte immer noch in Betrieb, und sie sind nicht nur Museumsobjekte. Der Pavillon der Mechanotherapie ist an sechs Tagen in der Woche geöffnet, und jeder kann an den Zander-Geräten trainieren. Es gibt nur einen kleinen, dafür umso hörbareren Nachteil:  Da alle Geräte aus schwerem Metall und Holz bestehen, verursachen sie bei der Nutzung einen ziemlichen Lärm.

Menschen, die zur Behandlung nach Jessentuki kommen, nutzen die Mechanotherapie auf ärztliche Verschreibung hin, zusammen mit Mineral- oder Schlammbädern und einer Trinkkur mit Mineralwasser. 

Für normale Touristen sieht der Pavillon der Mechanotherapie wie ein interaktives Museum aus, so dass sie nur zum Spaß kommen, um die Geräte auszuprobieren. Viele finden, dass es sich wie eine Reise in einer Zeitmaschine anfühlt, wenn sie zum Beispiel auf ein jahrhundertealtes mechanisches „Pferd“ steigen. Sie halten den Pavillon für den interessantesten Ort in Jessentuki.