Im 18. und 19. Jahrhundert tauchten in Russland Kirchen in neo- oder pseudogotischem Stil auf, die der russisch-orthodoxen Architektur fremd zu sein schienen. Auf russischem Boden wurde dieser mittelalterliche europäische Stil mit den Merkmalen der altrussischen Architektur sowie mit Barock und Klassizismus verbunden und so eine einzigartige Symbiose geschaffen.
Die ersten Bauten im gotischen Stil entstanden unter der Zarin Katharina II. Auf ihren Befehl wurde diese ungewöhnliche Kirche zum Gedenken an den Sieg der Russen über die türkische Flotte in der Schlacht von Çeşme 1770 errichtet. Die Kirche liegt auf dem Weg von St. Petersburg nach Zarskoje Selo, und die Kaiserin selbst machte im Sommer oft hier Station.
1790 ließ der Hofsänger Mark Poltorazkij die Verklärungskirche auf seinem Gut in Krasnoje im Gebiet Twer errichten. Sie war eine fast exakte Nachbildung der Tschesmensker Kirche.
In den 1780er Jahren wurde diese ungewöhnliche Kirche auf dem Landgut Bykowo außerhalb Moskaus gebaut. Es ist nicht sicher bekannt, wer der Architekt war, aber das Projekt wird Wassilij Baschenow zugeschrieben, der für Katharina II. das Palastensemble in Zarizynound mehrere Gebäude im Moskauer Kreml errichtete.
Die Mode der Gotik verbreitete sich auch in den Provinzen. In den 1790er Jahren ließen die Grafen Tatischtschew auf ihrem Gut Weschalowka (heute Gebiet Lipezk) mit Hilfe von Leibeigenen eine Kirche zu Ehren der Gottesmutter vom Zeichen errichten. Auch dieses Projekt wird Baschenow zugeschrieben.
Mit der Zeit wurde die gotische Architektur immer beliebter. In den 1830er Jahren gab Nikolaus I. den Bau einer Familienkapelle im Alexandria-Park in Peterhof in Auftrag.
Die ungewöhnliche Kirche, die wie eine Miniaturnachbildung einer gotischen Kathedrale aussieht, wurde zu Ehren Alexander Newskis eingeweiht. Entworfen wurde sie von dem deutschen Architekten Karl Friedrich Schinkel.
In den 1830er Jahren ließ Gräfin Warwara Schuwalowa auf ihrem Landgut Pargolowo nördlich von St. Petersburg eine gotische Kirche zum Gedenken an ihren verstorbenen Mann errichten. Entworfen wurde diese von dem Architekten Alexander Brjullow (dem Bruder des Künstlers Karl Brjullow).
Anfang des 19. Jahrhunderts wurde beschlossen, im alten Kreml der Stadt Moschajsk westlich von Moskau eine neue Kirche zu bauen. Das Projekt wurde von dem Architekten Alexej Bakarjew entworfen, der einen traditionellen russischen Kirchenbau mit zahlreichen gotischen Verzierungen kombinierte. Die Kirche war dem Heiligen Nikolaus, dem Wundertäter, gewidmet, genauer gesagt einem seiner Ebenbilder – Nikola von Moschajsk, dem Beschützer der Stadt.
In der Stadt Gus-Schelesnyj ließ die Waffenfabrikanten- und Industriellenfamilie Bataschew ein Anwesen und die Dreifaltigkeitskirche im pseudogotischen Stil errichten.
Der Bau, der 1868 fertiggestellt wurde, dauerte über 60 Jahre, da der Hauptauftraggeber, der das Geld dafür bereitgestellt hatte, verstarb. Das Projekt wird Wassilij Baschenow zugeschrieben, aber einige Experten sind der Meinung, dass es von Iwan Gagin, einem lokalen, autodidaktischen Architekten aus der nahegelegenen Stadt Kassimow, entworfen wurde.
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