So ziemlich jeder Möchtegernstar des Westens träumt davon, entweder „groß in Japan“ oder „groß in Russland“ herauszukommen. Wir stellen Künstler vor, die inzwischen in Russland bekannter sind als in ihren Heimatländern, andere, die dort in Vergessenheit geraten sind und wieder andere, die es erst in Russland überhaupt zu Ruhm und Ehre gebracht haben.
Wie berühmt ist die Band in Russland?
Scooter ist zwar eine Band, die in den 1990er und frühen 2000er Jahren in jedem Land Europas große Erfolge feierte, doch ihr Erfolg in Russland ist absolut einzigartig. Ihre Nummer-Eins-Hits wie „We Are the Greatest“, „Faster Harder Scooter“ und „How much is the fish?“ sind dabei nur das Sahnehäubchen. Die Band wurde von den russischen MTV-Zuschauern im Jahr 1998 zur „Besten Band der Welt“ gewählt und ging im Jahr 2013 auf eine große Russlandtournee. Auch ihr in 2017 erschienes Album „The Stadium Techno Experience“ stürmte über Nacht an die Spitze der russischen Charts.
Der Frontmann der Band ist darüber hinaus in einer Reihe russischer Werbeanzeigen für MediaMarkt zu sehen:
Assistent: Vorsicht, es ist ein sehr starker Staubsauger.
Scooter-Frontmann (nachdem er eine Frau mit dem Staubsauger ausgeraubt hat): Haben Sie nicht etwas Stärkeres?
Warum?
Im Ernst, warum? Zum einen haben sich Scooter um ihre russischen Fans gut gekümmert und sogar Songs wie „Kalinka“ und „Whistling Dave“ veröffentlicht, die russische Volkslieder zum Vorbild haben.
Wohlmöglich kann man auch die sowjetische Zensur dafür verantwortlich machen. Die Russen konnten bis in die 1990er Jahre auf legalem Wege keine elektronische Musik in die Hände bekommen, und als das endlich möglich war, wollten sie keinen Schnickschnack, sondern den hämmerndsten, härtesten Sound, den sie finden konnten.
Wie berühmt ist er in Russland?
Nahezu kein ausländischer Schriftsteller ist in Russland bekannter als Maugham. „Maugham war zu seinen Lebzeiten sehr populär, ist jedoch im zeitgenössischen Großbritannien nicht „in“ und wird selten erwähnt.“, erklärt (eng) der BBC-Journalist Howard Amos. Die meisten Russen hingegen haben in ihrem Leben mindestens eines von Maughams Büchern gelesen und erwähnen ihn im selben Atemzug wie Dickens, Shakespeare oder Chaucer. Seine Bücher scheinen in fast jedem russischen Café oder in jedem Moskauer U-Bahnwagen gelesen zu werden.
Warum?
Eine Erklärung für Maughams aktuelle Popularität in Russland ist sein hoher Bekanntheitsgrad während der Sowjetzeit. Es ist schwer zu glauben, dass er während des Ersten Weltkrieges als antibolschewistischer Spion gearbeitet hat und wohlmöglich sogar beauftragt wurde, Lenin umzubringen. Man vermutet jedoch, dass den Zensoren seine antiimperialistische Haltung gefiel und seine Prosa deshalb als relativ harmlos eingestuft wurde. Sein Buch „Das Theater“ wurde im Jahre 1978 in der UdSSR verfilmt und war ein Kassenschlager.
Er ist auch für Russen eine leichte Lektüre: Während die Shakespeare-Sprache schwer zu fassen und der Dickens-Humor oft schlecht ins Russische übersetzbar ist, vermittelt Maugham seinen Lesern in relativ einfacher Prosa ein tiefsinniges und romantisches Bild des viktorianischen Großbritanniens.
Wie berühmt ist die Band in Russland?
Die Liebe der Russen zu Depeche Mode grenzt fast schon an Obsessivität. Der im Jahr 2006 erschienene Dokumentarfilm „Our Hobby is Depeche Mode“ zeigt, wie die russischen Fans Fotos, Videos und andere verschiedene Relikte von Depeche-Mode-Konzerten aufbewahrten und die Depeche-Mode-Hausparties in den 1980er sowie Anfang der 1990er Jahren als die coolsten Parties galten. Die Subkultur ist auch dafür bekannt, jeden 9. Mai, den „Dave Day“, also den Geburtstag des Sängers Dave Gahan, zu feiern und öffentliche Schlägereien mit Duran-Duran-Fans zu organisieren, während der Rest des Landes sich den Feierlichkeiten des russischen Nationalfeiertags, dem „Tag des Sieges“, widmet. In Sankt Petersburg gibt es sogar eine Bar, die nach Depeche Mode benannt ist.
Warum?
Depeche Mode steht für melancholische Synthiemusik, Nonkonformismus und Jeans, also für alles, was der Perestroika-Generation verweigert wurde.
Die rohen, verträumten, finsteren Elemente der elektronischen Musik passten perfekt zur Stimmung sowjetischer Teenager, die in den 1980er Jahren bemüht waren, eine Schallplatte von dieser verbotenen Band zu ergattern.
Wie berühmt ist die Band in Russland?
Onyx gilt als eine der bekanntesten Rapgruppen in Russland. Die verbliebenen Gruppenmitglieder, Fredro Starr und Sticky Fingaz, die in ihrem Leben über 100 russische Städte bereist haben, verbringen mittlerweile einen Großteil des Jahres in Samara, von wo aus sie ihr Plattenlabel „Mad Money Movement“ führen und ihre Modelinie managen.
Warum?
Die Band Onyx ist zwar Kult, aber kein Phänomen. Es ist durchaus üblich, dass amerikanische Rapper im Ausland nach einer Möglichkeit suchen, gutes Geld zu verdienen und Onyx hat diese in Russland gefunden.
Nachdem sie mit ihrer Musik die Aufmerksamkeit des russischen Publikums auf sich gezogen hatten, richtete sich das Augenmerk der Russen vor allem auf die schwarze Kleidung und die zornige Ästhetik der Gruppe. Seitdem filmen Onyx ihre Videos in Samara, um das russische Publikum anzusprechen und die heruntergekommene postsowjetische Ästhetik wiederzugeben. Hier ist so ein Beispiel:
Wie berühmt ist sie in Russland?
Die 40-Jährige lebt seit ihrem 23. Lebensjahr in Russland und wird überall auf der Welt von weiblichen Fans umschwärmt. Der im Jahr 2016 erschienene russische Dokumentarfilm „Unsere Natascha“ porträtiert Oreiros jüngste 16-Städte-Tour in Russland und zeigt die besondere Verbindung zwischen ihr und ihrer russischen Fangemeinde.
Eine aktuelle ESPN-Umfrage ergab, dass die Schauspielerin von Russen viel öfter wiedererkannt wird, als zum Beispiel ihr Landsmann und der beste Fußballer der Welt Lionel Messi. Das sagt doch alles, oder?
Warum?
Alles begann in den 1990er Jahren, als in Russland die Telenovela nahezu aus dem Nichts Einzug hielt. Manche sagen, dass sich die russischen Frauen gerne mit der weiblichen lateinamerikanischen Ausdruckskraft identifizieren. Man nimmt auch an, dass Telenovelas für die damalige Generation russischer Frauen, die extreme wirtschaftliche Schwierigkeiten durchmachen mussten, eine Möglichkeit boten, ihrem schweren Alltag zu entfliehen.
Von allen Telenovela-Schauspielerinnen, die von Russen gemocht wurden, war Natalia Oreiro die unangefochtene Nummer Eins. Ihre Sendungen wie „Muñeca Brava“ und „Ricos y Famosos“ werden für immer ein Symbol der 1990er Jahre in Russland sein.
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