Fußball-WM 2018: Warum sich alle in die russische Nationalmannschaft verliebten

Maksim Konstantinov/Global Look Press
Entgegen aller Erwartungen lieferte die russische Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2018 das beste Ergebnis ihrer Fußballgeschichte. Russia Beyond hat die wichtigsten Gründe dafür zusammengefasst.

Die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 geht nun nach der Niederlage gegen Kroatien ohne die Teilnahme der russischen Nationalmannschaft weiter. „Die Weltmeisterschaft erinnert ab jetzt an eine Hausparty, bei der der Gastgeber sich mit den Worten ‚ok, ich gehe jetzt schlafen‘ verabschiedet, während so manch anderer in seiner Küche weitertrinkt“, lautete ein Witz auf Twitter.

Nichtsdestotrotz wird die Leistung der russischen Nationalmannschaft den Russen noch lange im Gedächtnis bleiben, denn zum ersten Mal seit dem Zerfall der Sowjetunion erreichte ihre Mannschaft bei einer Weltmeisterschaft das Viertelfinale.

  1. Russland übertraf alle Erwartungen

Denis Tscheryschew

Die Erwartungen an die russische Nationalmannschaft waren dieses Jahr so niedrig, dass viele Fans nicht einmal daran glaubten, das erste Spiel gegen Saudi-Arabien gewinnen zu können. „Saudi-Arabien spielt besser Fußball als wir“, lautete die besorgte Schlagzeile  eines Artikels auf „sports.ru“.

Es gab allerdings auch genügend Gründe, Cheftrainer Stanislaw Tschertschessow und sein Team anzuzweifeln: Nach einer Reihe schwach gespielter Freundschaftsspiele belegte Russland bei den FIFA-Nationalmannschaftswertungen den 70. und damit den schlechtesten Platz von allen 32 Mannschaften, die bei der Weltmeisterschaft 2018 teilnahmen.

Tschertschessow ignorierte jedoch jegliche Kritik. „Ich bin kein Psychologe, ich muss niemanden trösten“, brummte (rus) er nach einem weiteren erfolglosen Spiel und fügte hinzu: „Ihr müsst an uns glauben.“ Lange Zeit hatte nämlich genau das niemand getan.

Dann schaffte Russland es jedoch Saudi-Arabien mit 5:0 und Ägypten mit 3:1 zu besiegen, erlitt aber gegen Uruguay mit 0:3 eine Niederlage, um dann gegen Spanien beim Elfmeterschießen mit 4:3 noch einmal ihr Können unter Beweis zu stellen und schließlich gegen Kroatien mit 3:4 im Viertelfinale zu verlieren.

Doch im Ernst: Die Leistung der russischen Nationalmannschaft bei dieser Fußball-Weltmeisterschaft traf, ebenso wie das frühzeitige Ausscheiden der Deutschen, die meisten wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

  1. Tschertschessow änderte die Taktik und zeigte echtes Können

Stanislaw Tschertschessow

Nach den Siegen gegen Ägypten und Spanien wurden Tschertschessow und seine Spieler als Nationalhelden gefeiert. Ein gutes Endergebnis für einen Trainer also, der zuvor so stark kritisiert worden war, dass manche nur wenige Tage vor Spielbeginn in einer Petition vorschlugen, ihn zu entlassen. Vor jedem Spiel der Weltmeisterschaft passte Tschertschessow die Taktik seiner Mannschaft an die jeweiligen Rivalen an. „Wir haben gegen unterschiedliche Mannschaften mit unterschiedlichem oder weniger Druck gespielt, und Tschertschessow war sehr flexibel, wenn es um die Zusammenstellung seines Teams und den Einsatz verschiedener Spieler ging“, schrieb (rus) der Sportjournalist Alexander Dorskij. „Seine Taktik während der Weltmeisterschaft war viel ausgeklügelter als bisher. Man könnte meinen, es hätte sich um einen anderen Tschertschessow gehandelt.“

Manche Leute glauben nun sogar, dass es sich bei den schlechten Ergebnissen vor der Weltmeisterschaft lediglich um einen Trick des russischen Trainers gehandelt hätte – wer weiß. Klar ist, dass Tschertschessow mit seiner Leistung in die Geschichte des russischen Fußballs eingehen wird. Im Jahr 2022, versprach (rus) er, wird die russische Nationalmannschaft noch besser spielen.  

  1. Die russische Nationalmannschaft spielte stilvoll und mutig

Die meisten russischen Fußballer gaben bei dieser Weltmeisterschaft weitaus mehr als 100 Prozent. So hat der Torhüter Igor Akinfejew wortwörtlich mit Hand und Fuß die Torversuche der Spanier abgewehrt. Der Spieler Denis Tscheryschew erzielte vier Tore und zeigte damit bei dieser Weltmeisterschaft eine genauso gute Leistung wie Cristiano Ronaldo. Der 38-jährige Innenverteidiger Sergej Ignaschewitsch verbrachte insgesamt 510 Minuten auf dem Feld und ließ indessen weltbekannte Stürmer, wie Mohammed Salah oder Diego Costa, neben sich nahezu unbedeutend erscheinen.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Russland nicht „einfach so“, sondern durchaus mit Mut und Stil gewann. Man schaue sich dazu nur Artjom Dsjubas Militärgruß an:

Artjom Dsjuba

Oder den legendären Moment, als Akinfejew nach seinem „Bein Gottes“ greift:

Und wie könnte man mit so einer Unterstützung nicht gewinnen?

Der Weg zum Sieg war für die russischen Spieler jedoch alles andere als einfach: Stundenlang mussten sie in der Defensive spielen, um sich gegen Spanien zu behaupten, eine Taktik, die besonders für neutral gestimmte Zuschauer nicht besonders spannend ist. Im Fußball geht es bekanntlich jedoch nicht allein um Schönheit und Spannung, sondern vor allem um harte Arbeit, starken Willen und Glück. Bei dieser Weltmeisterschaft war das für die russische Nationalmannschaft nun endlich gegeben.

  1. „Einer für alle, alle für einen“

Zuvor war die Mannschaft leider vor allem für ihre Skandale im Land bekannt. So hatten Spieler einmal den Fans zugerufen, sich nicht um ihre Erwartungen zu scheren oder teure Champagner-Partys von 240 000 Euro nur wenige Tage nach einer Niederlage geschmissen – das hat sich mit dieser Weltmeisterschaft zum Glück geändert!

„Ich habe noch nie einen derartigen Austausch im Team gesehen. Jeder hat mit den anderen kommuniziert. Das mag zwar wie eine lahme Ausrede klingen, aber diese Art von Einheit ist das, was unserer Gruppe zuvor gefehlt hat“, schrieb Wladislaw Woronin auf „sports.ru“.

Des Weiteren fühlten sich die Spieler mit ihren Fans und insgesamt auch mit der gesamten russischen Nation verbunden. Nach der Niederlage, konnte Artjom Dsjuba nicht anders, als zu weinen und sagte (rus): „Unser ganzes Leben lang wollten wir euch einfach nur stolz machen.“

Das ist ihnen definitiv gelungen!

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