Familien im 21. Jahrhundert: Fünf Lebensmodelle aus Russland

Legion Media
Russia Beyond berichtet darüber, wie russische Ehepaare zusammenleben, die Hausarbeit untereinander aufteilen, das gemeinsame Budget planen und welche Familienmodelle in Russland derzeit üblich sind.

Modell „Gleichheit“: Lubow und Anatolij (Perm)

Lubow ist 42 Jahre alt, arbeitet als Buchhalterin und hat einen 50-jährigen Ehemann, der als Busfahrer tätig ist. Beide teilen sich die Hausarbeit und haben ein gemeinsames Budget, das Lubow verwaltet.

Sie erklärt uns, warum: „Ich kann besser mit Geld umgehen, da ich einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften habe. Ich kümmere mich um die Finanzen in unserer Familie. Anatolij ist für die Reparaturen im Haus zuständig. Er kümmert sich um die Pflege der Geräte und um den Garten. Für mich ist diese körperliche Arbeit zu belastend, also überlasse ich sie ihm. Er übernimmt auch andere Aufgaben im Haushalt, bringt den Müll raus; ich selber koche und mache die Wäsche.“

Beiden steht darüber hinaus ein gewisses Taschengeld zur Verfügung, das sie für ihre persönlichen Bedürfnisse und Hobbys ausgeben können. Lubow trifft sich zum Beispiel gern mit ihren Freunden im Café, Anatolij hingegen ist in seiner Freizeit mit Vorliebe im Wald oder am Fluss beim Angeln. Beide haben kein Problem damit, ihre freie Zeit auch getrennt voneinander zu verbringen.

Sie meinen: „Dieses Modell hilft, einander zu entlasten und Geld zu sparen. Jeder weiß, was er zu tun hat.“ Es eignet sich vor allem für erfahrene Menschen, die den persönlichen Freiraum schätzen.

Modell „Matriarchat“: Artjom und Aljona (Moskau)

Vor einigen Jahren war das Paar noch gemeinsam im Theater tätig. Mit 37 Jahren erfüllt Artjom nun die Vaterrolle für seine Kinder und die des fürsorglichen Ehemanns für seine acht Jahre jüngere Frau.

Er erzählt uns: „Aljona hatte Glück und bekam tolle Stellenangebote von Fernsehsendern und Regisseuren, also habe ich beschlossen, mich zurückzunehmen und mehr Zeit zu Hause zu verbringen. Nun bin ich größtenteils für das Frühstück und Abendessen verantwortlich, spiele mit den Kindern, Aljona kann sich also auf mich verlassen. Das heißt nicht, dass wir eine Betonmauer zwischen uns errichtet hätten und unsere Verantwortungsbereiche strikt trennen würden. Ich bin ebenfalls in der Filmindustrie tätig und Aljona kümmert sich um die Kinder, wenn es nötig ist.“

Sollte sich ihre Beschäftigungssituation ändern, sind sich Aljona und Artjom sicher, die Rollen leicht tauschen zu können, doch da das Modell gut funktioniert, haben sie erst einmal vor, es beizubehalten.

Modell „Sowjetisch“: Irina und Sergej (Krasnodar)

Der 37-jährige Sergej arbeitet als Möbelmonteur. Seine Ehefrau Irina ist vier Jahre älter als er. Das Paar hat sich vor elf Jahren kennengelernt, als Irina als Schauspielerin am Theater einer Uralstadt arbeitete. Damals verbrachte sie all ihre Zeit auf der Bühne, während Sergej ihr half, ihre Ziele zu verwirklichen.

Vor einem Jahr sind sie gemeinsam in den Süden gezogen. Nun arbeitet Irina als Tourmanagerin, hat einen flexiblen Zeitplan und sieht nichts Schlechtes darin, die Arbeit im Haushalt mit zu erledigen.

Sie sagt: „Das ist für mich überhaupt nicht störend oder unangenehm. Ich verbringe nicht viel Zeit damit, zu kochen oder zu putzen. Sergej hat eine körperlich anstrengende Arbeit und ich verstehe, dass er es manchmal schwer hat. Daher bitte ich ihn nicht, noch die Hausarbeit zu übernehmen und er erwartet im Gegenzug nicht, dass ich ihm restaurantähnliche Gerichte auf den Tisch stelle. Er weiß, dass auch ich eine Arbeit habe.“

Die beiden scheinen für sich keine Nachteile in diesem Modell zu sehen und wollen zunächst an ihrer Lebensweise festhalten. Irina warnt jedoch, dass sich dieses Modell nur dann eignet, wenn die Frau eine flexible Teilzeitstelle und genug freie Tage hat.

Modell „Patriarchat“: Margarita und Andrej (Sankt Petersburg)

Dieses junge Paar lebt nach dem patriarchalen Familienmodell. Margarita ist 20, Andrej 22 Jahre alt und mit einem Job im Staatsdienst der Hauptverdiener in der Familie. Margarita kümmert sich um das gemeinsame Kleinkind und erledigt die Hausarbeit. Für sie ist diese Lebensweise in Ordnung. Sie schätzt ihren Ehemann und akzeptiert sogar die für seinen Beruf erforderliche Diskretion.

Sie sagt: „Die Geburt unseres Kindes hat mein Leben verändert. Andrej verdient nun unseren Lebensunterhalt und das ist kein Problem für mich. Unsere Familiensituation ist sehr typisch in Russland. Der größte Vorteil dieses Modells ist, dass ich viel Zeit mit unserem Kind verbringen und ihm so viel Liebe wie möglich geben kann. Die Hausarbeit an sich fiel mir nie besonders schwer.“  

Dennoch fügt Margarita hinzu, dass sie ihr Leben in naher Zukunft gerne ändern und eine Arbeit finden würde, die sie von zu Hause erledigen kann: „Zu Beginn war ich gerne eine traditionelle Hausfrau, aber jetzt langweilt es mich ein wenig. Mein Mann lernt immer wieder etwas Neues dazu. Ich möchte das auch. Meine Arbeit soll jedoch mehr ein Hobby als eine Geldquelle sein.“

Modell „Getrenntes Budget“: Jelena und Sergej (Beresniki)

Die 28-jährige Jelena arbeitet als Ingenieurin. Ihr Ehemann Sergej ist im gleichen Berufsfeld tätig.

Sie bilden ein Beispiel für eine fortschrittliche russische Familie, die getrennte Budgets führt. Beide haben eine Vollzeitbeschäftigung und teilen sich die Hausarbeit. Jelena ist sehr stolz, dass sie diejenige war, die vorschlug, dieses Modell auszuprobieren. Sergej war zunächst skeptisch, begann jedoch mit der Zeit, auch die Vorteile dieses Familienmodells zu sehen.

Sie sagen: „Wir streiten uns nie um Geld, da niemand seine Ausgaben offenlegen muss. Das diszipliniert und lehrt jedes Familienmitglied, mit Geld umzugehen.“

Jelena fügt hinzu, dass gegenseitiger Respekt ein weiterer Pluspunkt ist: „Sergej kann mir oder den Kindern etwas kaufen, weil er uns zum Lächeln bringen möchte und nicht, weil er es muss.“

Dennoch nennt sie zwei Momente, die für sie als Frau unangenehm waren: „Der erste war der Mutterschaftsurlaub. Aber wir haben darüber gesprochen, als ich schwanger wurde und ich habe etwas Geld gespart. Bei dem zweiten handelte es sich um eine Meinungsverschiedenheit zwischen mir und den einheimischen Frauen, die meinen, dass ein Mann eine Milchkuh wäre, die es zu melken gilt.“

Beide warnen jedoch, dass es sehr schwierig ist, nach diesem Modell zu leben, wenn das Ehepaar große Einkommensunterschiede hat.

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