Russische Eltern packen aus: Fünf Erziehungstipps

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ANNA SOROKINA
Den Erwachsenen gehorchen und nicht zu spät nach Hause kommen sind Grundvoraussetzungen für Kinder, egal wie alt sie sind. Wir haben mit russischen Eltern gesprochen, welche Tipps und Tricks sie noch empfehlen können.

Russische Eltern bemühen sich, ihre Kinder umfangreich zu erziehen, indem sie sie zu zahlreichen außerschulischen Kursen und Aktivitäten schicken. Sie sind sogar dazu bereit, sie nach dem 18. Lebensjahr finanziell zu unterstützen, wenn diese einer „lohnenswerten“ Beschäftigung nachgehen. Dies sind nur einige Aspekte einer russischen Erziehung.

1. Vielfältige Interessen

Ballett, Biathlon oder Zeichnen? Russische Eltern beschränken ihre Kinder selten auf nur eine Interessenverfolgung. Schon früh werden viele Mädchen zu Tanzkursen, einschließlich Ballett, geschickt, und Jungen treten Sportvereinen bei. Häufig werden obendrein auch Musik- und Sprachkurse hinzugefügt.

Das Studium der russischen und weltlichen Kultur ist ebenfalls eine Priorität. Selbst wenn ein Kind eine Schule mit mathematisch-chemischen Schwerpunkt besucht, wird es dennoch viel Literaturunterricht haben und Klassenausflüge ins Theater machen müssen. In Moskau erhalten Schulkinder oft Freikarten für verschiedene Aufführungen sowie Museen.

2. Immer noch ein typischer Frauenjob

In den meisten Familien werden Kinder von Frauen aufgezogen: Mütter, Großmütter und manchmal auch Kindermädchen. Dabei handelt es sich nicht um Jugendliche wie in den Vereinigten Staaten, sondern um Erwachsene. Traditionell sind die Väter nach wie vor die Hauptverdiener in der Familie und betrachten die Erziehung von Kindern, insbesondere von Jugendlichen, als „Frauenaufgabe“ – selbst wenn die Frau mehr verdient.

Obwohl Väter in Russland offiziell bis zu 1,5 Jahre Elternzeit nehmen können, tun dies nur die wenigsten. Erst vor Kurzem wurden die sozialen Medien von der Geschichte des beliebten Fernsehmoderators Andrei Malachow überschwemmt, der zu einem konkurrierenden Fernsehsender gewechselt hatte, nachdem ihm die Elternzeit verweigert worden war. Es sind auch Frauen, die Unterhalt für die Kinderbetreuung erhalten, einschließlich des russischen „Mutterschaftskapitals“. Es beträgt etwa 6 000 Euro für die Geburt eines zweiten Kindes in Russland. Bei einer Scheidung gewinnt normalerweise die Mutter das Sorgerecht für die Kinder. Ebenso sind die meisten Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen weiblich und ihre männlichen Kollegen werden häufig noch mit Überraschung und Argwohn betrachtet.

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3. Eigenständigkeit in jungen Jahren

Schulkinder sollten in der Lage sein, sich selbstständig zu versorgen: Sie helfen beim Putzen, Kochen und bei der Betreuung ihrer jüngeren Geschwister. Aljona Awgust, eine Mutter von drei erwachsenen Kindern, sagt, dass Kinder ab dem siebten Lebensjahr allein nach draußen gehen oder sogar Brot oder Milch aus dem örtlichen Geschäft kaufen können. „Wenn Sie Ihr Kind an der kurzen Leine halten, wird es ihm nicht möglich sein, die Welt eigenständig zu erleben. Sie werden völlig von Ihnen abhängig sein und für lange Zeit ein Kleinkind bleiben.“

Nach russischem Recht dürfen Jugendliche ab 14 Jahren außerhalb der Schulzeiten arbeiten und für ihre Handlungen rechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Gleichzeitig dürfen Jugendliche unter 16 Jahren nach 22 Uhr oder vor sechs Uhr morgens nicht allein sein und Eltern müssen mit einer Geldstrafe von etwa 70 Euro rechnen, sollte dies vorkommen.

4. Kinder als Teil der Gesellschaft

Im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen die Idee des Individualismus oft gefördert wird, werden Kinder in Russland dazu erzogen, Teil eines größeren Teams zu sein. Während es in anderen Ländern Kindern erlaubt ist, an öffentlichen Orten laut zu sein und herumzualbern, können Kinder in Russland mit folgenden Satz gerügt werden: „Was sollen nur die Leute sagen!“ In Russland ist es nicht ungewöhnlich, dass Fremde ein Kind auf sein schlechtes Benehmen hinweisen, was normalerweise zum gewünschten Ergebnis führt.

Das bedeutet, dass Eltern eigentlich nicht zu viel von ihren Sprösslingen erwarten: Komm nicht zu spät nach Hause, höre auf deine Eltern und benimm dich gut. Alexandra Stemkowskaja, Mutter eines Sohnes im Vorschulalter, sagt, dass es einem Kind jedoch erlaubt sein sollte, Kind zu sein, bevor es erwachsen wird: „Die einzigen Regeln sind, dass er die Schuhe in der Wohnung auszieht, keine Versprechen bricht und vor allem lernt, sich selbst und seine Laune in Schach zu halten.“

In Russland ist gesellschaftliche Missbilligung wirksamer als Schläge oder andere Formen der körperlichen Züchtigung. Heutzutage nutzen nur zwölf Prozent der Eltern diese Form der Bestrafung. Die meisten ziehen stattdessen weniger Taschengeld (13 Prozent) oder geringere Computerzeit (45 Prozent) vor. Vor allem lieben (rus) russische Eltern es, moralische Tugenden weiterzugeben und zu predigen. 80 Prozent der Russen mussten sich als Kinder solche „Vorträge“ anhören, und genauso viele wollen, dass es ihren Kindern ebenso ergeht.

5. Das Nest verlassen

In Russland werden Kinder manchmal erst im Alter von 40 Jahren komplett unabhängig, sagt Aljona. „Meiner Meinung nach sollten Kinder im Alter von 20 Jahren anfangen, sich selbst zu versorgen, was bedeutet eine Wohnung zu mieten und Geld zu verdienen. Aber jeder sieht das anders und es ist schwer für Eltern, ihr Kind in diesem Alter rauszuwerfen.“

Alexandra sagt, dass sie möchte, dass ihr Sohn im Alter von 16 Jahren anfängt zu arbeiten, aber dass sie bereit ist, ihn bei den Universitätsgebühren und der Miete zu unterstützen. "Sollte er größere Pläne haben, wie zum Beispiel im Ausland zu studieren, werde ich auf jede mir mögliche Weise helfen.“ Gleichzeitig glaubt sie, dass erwachsene Kinder das Nest so früh wie möglich verlassen sollten, besonders wenn sie eine eigene Familie gründen wollen.

Tatiana Rusakowa, die einen Sohn im Vorschulalter und eine Tochter im Teenageralter hat, stimmt zu: „Wenn meine Kinder Hilfe bei etwas Großem und Erstrebenswertem brauchen, werde ich ihnen helfen, aber wenn sie es für notwendig halten, eine Familie zu gründen, müssen sie das selbst erledigen.“ Sie räumt jedoch ein, dass sie für ihre Kinder schon Sachanlagen für die Zukunft gekauft hat.

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