Die Kleinstadt Gai in der Oblast Orenburg lebte schon immer vom Erzabbau. In den fünfziger Jahren entstand die Stadt rund um ein einzigartiges Erzvorkommen. Heutzutage arbeitet ein Drittel der körperlich geeigneten Bevölkerung, 7 500 Personen, im Bergbau.
Der Name Gai ist ein südrussischer Begriff für Hain, kleiner (Laub-)Wald und bezieht sich auf einen Birkenwald, der dort bei der Gründung der Stadt existiert haben soll. Inmitten eines Birkenwaldes wurde auch der erste Schacht gebohrt und eine ganze Stadt entstand durch ein einziges Unternehmen: die Erzabbauanlage Gai (GOK).
Es gibt eine Untertage-Mine, einen Tagebau, Verwaltungsgebäude und eine Fabrik, in der die Minenfunde zerkleinert und gereinigt werden. Es werden Kupfer, Zink, Gold und Silber abgebaut.
Eine Schicht dauert sieben Stunden und beginnt im Umkleideraum. Die Arbeitskleidung besteht aus Baumwoll-Unterwäsche, Wollsocken, Jacke, Hose, hohen Gummistiefeln und natürlich einem Helm. Im Lampenraum bekommen die Bergleute ihre Grubenlampe und einen kleinen Behälter. Im Notfall liefert dieser Sauerstoff.
„Bei normaler Schrittgeschwindigkeit reicht dieser Sauerstoffvorrat für eine Stunde. Wichtig ist es, nicht in Panik zu geraten”, heißt es bei der Einweisung. Zudem werden die Bergleute mit einem Peilsender ausgestattet, der es ermöglicht, ihre Position im Schacht auszumachen und im Notfall eine Bergungsmannschaft zu schicken.
Wenn am Peilsender ein Licht aufleuchtet, bedeutet dies, dass sich der Bergmann melden soll. Dazu gibt es unter Tage Festnetztelefone.
Die GOK Mine in Gai ist eine der längsten Kupferminen Europas. Der Abbau findet in einer Tiefe von bis zu 1 075 Metern statt. Auf dem 220 Kilometer langen Wegenetz unter Tage gibt es hunderte Kreuzungen. Wie im normalen Leben, wird der Verkehr hier durch Ampeln geregelt. „Sie funktionieren automatisch und reagieren auf Ultraschallwellen, die von den Grubenlampen der Bergleute gesendet werden”, erklärt Wladislaw Saweljew, leitender Ingenieur der Untertage-Mine.
Für Reparatur und Wartung der Ausrüstung gibt es in der Mine eine eigene Waschanlage und eine Werkstatt in 990 Metern Tiefe. Dort gibt es auch einen höhlenartigen Speisesaal für die Bergleute.
Nach jüngsten Schätzungen reichen die Erzvorkommen in Gai noch mindestens 40 Jahre. Der Abbau besteht aus mehreren Phasen: zunächst wird ein Loch in den Stein gebohrt, in das Sprengstoff eingeführt und gezündet wird. Das abgebaute Gestein wird von einem Fahrlader aufgesammelt, einem Spezialfahrzeug, das wie ein langer und niedriger Bagger aussieht. Er bringt das Rohmaterial zu einem Sammelbehälter, von da aus gelangt das Erz auf ein Förderband.
In jeder Schicht fahren rund 500 Bergleute in den Schacht ein. Die meisten sind Männer. Seit 1974 sind Frauen wegen der schwierigen Arbeitsbedingungen und der Gefahren am Arbeitsplatz von der Grubenarbeit ausgeschlossen.
Doch es gibt durchaus Frauen in der Mine: sie arbeiten etwa in 685 Metern Tiefe im Sprengstofflager. „Ich denke, ich bin ein Abenteuertyp. Als mir vor vier Jahren der Job unter Tage angeboten wurde, habe ich aus reiner Neugier zugesagt”, erzählt Tatjana Bajewa. „Unser Lager ist vollautomatisiert, es gibt automatische Ladevorrichtungen. Unsere Arbeit ist nicht so schwer wie die der Männer. Doch da es ein großes Lager ist, bist Du den ganzen Tag in Bewegung. Kalt wird es dort nicht.”
Die Schicht endet am Eingangstor. Dort wird auf einem Bildschirm gezeigt, wie viel jeder Bergmann abgebaut hat. Die Bergleute arbeiten in Gruppen und es gibt einen heimlichen Wettbewerb untereinander: Wer wird am meisten zum Förderziel beitragen?
Im Jahr 2021 sollen statt acht Millionen Tonnen jährlich neun Millionen abgebaut werden. Die besten Arbeiter sind unter dem Namen ihres Schichtführers bekannt, da gibt es das Kristoforow-Team oder das Letow-Team. Dies ist eine Tradition, die aus Sowjetzeiten beibehalten wurde, als Zeitungen häufig über herausragende Arbeitsleistungen von Bergleuten berichtet haben.
Heutzutage ist das eher selten Thema in den Medien, doch für die Bergleute ist es eine große Motivation. Die Mine von Gai beliefert eine der größten Kupfer-Holdings, die Ural Bergbau- und Metallurgiegesellschaft. Doch es geht nicht nur darum, vorne mit dabei zu sein oder um den Lohn, der für die Region recht hoch ist und zudem leistungsabhängig.
„Die meisten Leute entscheiden sich bewusst dafür, hier zu arbeiten. Sie treten in die Fußstapfen ihrer Eltern”, sagt Alexander Michin, stellvertretender Direktor für allgemeine Angelegenheiten. „In jeder Familie gibt es jemanden mit Bezug zur Mine. Es gibt niemanden, der zufällig hier ist.”
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