Warum überfluten Russen die Instagram-Accounts von Lady Gaga und Leonardo DiCaprio?

Reuters; Legion Media
Es hat sich herausgestellt, dass der Flashmob von einer weiblichen Instagram-Community provoziert wurde. Dabei begann alles mit einem üblichen Trolling.

Anna Kultschewa, eine glückliche Mutter aus Moskau, hat in ihrem Instagram-Account Fotos von ihrem zweijährigen Sohn, von sich selbst im Badeanzug sowie mit Einkaufstaschen von Moschino und Mac. 

Seit einigen Jahren hat Anna ein geheimes Hobby – sie ist Mitglied der Gesellschaft der Bademäntel@gufssister, einer geschlossenen Gruppe  im sozialen Netz Instagram mit 119.000 Abonnenten. Die Posts in der Gruppe bestehen aus Fotos von russischen und ausländischen Stars mit – meist negativen – Kommentaren ihrer Fans.

„Unter einem dieser Fotos, bei dem es darum geht, dass Bradley Cooper Irina Shayk sitzen lassen hat und nun mit Lady Gaga leiert ist, rief eine junge Frau dazu auf, den Account der Sängerin vollzuspammen. Eine Freundin von mir schrieb ihr einfach: ,Gaga, du bist so eine blöde Kuh!ʻ Damit hat alles angefangen“, sagt Anna.

Russischer Slang

Laut einem der russischen Kommentatoren Artak Kasarjan schrieben nun immer mehr Leute seltsame Kommentare an Lady Gagas Account, sei es nun ein Rezept für Borschtsch oder eine Geschichte über eine Sprottendiät (fragen Sie besser nicht, was das war!), nur weil sie an diesem „speziellen russischen Wuling“ teilnehmen wollten.

„Viele Leute schrieben dann, dass wir in den Kommentaren bei Lady Gaga unsere eigene russische Atmosphäre geschaffen haben“, ist sich Kasarjan sicher.

Eine andere Kommentatorin, Anastasia Demina, stimmt Kasarjan zu – sie habe nur ein Teil der Geschichte sein wollen, weil alle über diesen Flash-Mob sprachen, erklärt sie.

Mit der Beteiligung anderer Menschen, insbesondere russischer Prominenter, verwandelte der Chatroom sich jedoch in eine Mülltonne, sagt Kultschewa. 

„All diese Rezepte und Witze über den Verkauf der Garage sind überhaupt nicht amüsant. Dieser erste Beitrag von uns war noch ganz lustig, wir wussten damals nicht, in was das ausarten würde. Und es gab keine Beleidigungen in ihre Richtung, sondern nur russischen Slang“, erklärt sie.

Gesellschaftsrelevantes Flooting

„Wir ziehen zu @leonardodicaprio um! Soll er doch unserer Bademantel-Bruderschaft helfen, den Baikal zu retten! Wir schaffen einen Trend!“ – dieser Beitrag erschien vor etwa einer Woche in den Kommentaren von Lady Gagas Account.

Der Admin der Community, bekannt als Klara Gawrilowna, kommentierte in einem Interview mit der Zeitung Komsomolskaja Prawda den neuen Flashmob auf Leonardo DiCaprios Seite wie folgt:

„Der Baikalsee ist über 25 Millionen alt und er ist in Gefahr. Warum wird darüber nicht im Fernsehen oder Radio gesprochen? Werden sie dort Fabriken bauen oder nicht? Es wird immer noch darüber geschwiegen“, sagt sie.

Laut dem Mitglied der Community Anna Kultschewa stand das Foto von Leonardo DiCaprio lange Zeit als Avatar der Gesellschaft der Bademäntel.

„Er engagiert sich sehr für Umweltfragen. Außerdem ist er eine Medienpersönlichkeit und versteht ein wenig Russisch. Warum nicht einen Flashmob in etwas gesellschaftlich Bedeutendes verwandeln?“, argumentiert Kultschewa.

Die Macher der Gesellschaft der Bademäntel reagierten nicht auf die Anfrage von Russia Beyond.

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Die Probleme der russischen Gagachats

Wladimir Sykow, Direktor des Verbandes der professionellen Nutzer von sozialen Netzen und Messengern, bestätigte, dass der Flashmob aus einer geschlossenen Community heraus begonnen hat und erklärte, dass die „Bademäntel“ auch Gruppen im russischen sozialen Netzwerk VKontakte und auf Telegram haben.

„Die Leute mögen es, an einer großen Geschichte beteiligt zu sein. Heute bietet uns das Internet eine solche Möglichkeit. Außerdem gestattet es uns, auch mit den Stars spaßhaft zu kommunizieren“, sagt Sykow.

Seiner Meinung nach besteht das Problem jedoch darin, dass das Ganze bei Lady Gaga tatsächlich in Cybermobbing ausgeartet ist. Russische User konnten nämlich nicht zwischen geistreichem Spaß und einer richtiggehenden Hetzjagd unterscheiden und überschritten die Grenze. 

Jovan Sawowitsch, der Gründer des ersten großen kollektiven Blogs im Runet Dirty.ru und der Community Leprosorium (Leprastation), sieht den Grund eines solchen Verhaltens im gemeinsamen Wunsch, Spaß zu haben.

„Stell dir vor, du hast das Rezept für Krautwickel in den Kommentaren eines Stars geschrieben. Wenn du dann nach Hause kommst, erzählst du allen, dass du es getan hast. Und dann berichtet man auch noch im Fernsehen über diese Krautwickel. Du wirst jede Menge Spaß haben! Ja, das ist natürlich totaler Nonsens, aber das tut niemandem weh. So funktioniert das Internet“, erklärt Sawowitsch.

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