Golendry, wie sich Bug-Holländer selbst nennen, leben in drei winzigen Dörfern in der sibirischen Stadt Irkutsk. Aber wie sind sie in die russische Taiga gekommen?
Ihre Vorfahren, Bug-Holländer, wohnten am Ufer des Flusses Bug, der heutzutage in der Grenzregion zwischen Polen, Weißrussland und der Ukraine fließt. Obwohl sie sich gewissermaßen assimilierten, behielten sie einige einzigartige Besonderheiten bei, die sie von der lokalen Bevölkerung in Polen, Weißrussland oder der Ukraine unterscheiden.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, noch zu Zarenzeiten, begab sich eine Handvoll ihrer Nachkommen vom Ufer des Flusses Bug auf eine lange Reise in das Herz der sibirischen Taiga. Auf der Suche nach neuem freien Land, gründeten sie schließlich drei Dörfer in der sibirischen Wildnis der Region Irkutsk, Tausende von Kilometern von der Heimat entfernt. Diese Umsiedler nannten sich selbst Golendry.
Heute sind diese drei einzigartigen Siedlungen - Pichtinsk, Srednepichtinsk und Dagnik - relativ isoliert. Ihre Einwohner sind Lutheranen, die deutsche Namen haben und eine einzigartige Mischung aus Polnisch, Ukrainisch, Weißrussisch und Russisch sprechen.
Ohne viel Kontakt mit der Außenwelt, das heißt mit den in der Nähe lebenden Russen, wurden die Golendry in den frühen 1990er Jahren zu einer lokalen ethnografischen Sensation.
Mitglieder der Irkutsker Zentralkommission für die Erhaltung des historischen und kulturellen Erbes besuchten die drei Dörfer in den Jahren 1993-1994 und waren von der für die Region untypischen Architektur überrascht. Plötzlich entdeckte die Welt, dass mitten in der russischen Taiga ein Volk lebte, das sich deutlich durch Namen, Sprache, Religion und Traditionen unterschied.
Die kleine Gemeinschaft hat ihren Mitgliedern unabsichtlich soziale Einschränkungen auferlegt. Da Fremde mit Misstrauen behandelt wurden, sind einige Einheimische immer noch mit ihren entfernten Verwandten verheiratet. Manche erzählen von Inzestfällen innerhalb der Gemeinde.
Heutzutage sind soziale Normen viel lockerer geworden. Junge Männer und Frauen sind nicht mehr verpönt, wenn sie Fremde heiraten, die sie während ihres Studiums in Irkutsk oder anderen nahe gelegenen russischen Städten treffen.
Im Allgemeinen leben die Golendry wie viele Menschen in anderen abgelegenen Dörfern Russlands und meiden nicht zivilisatorische Annehmlichkeiten wie Smartphones und Fernseher. Ein Fremder würde jedoch mit Sicherheit ein paar Kuriositäten bemerken - wie die von den Frauen in der Gemeinde getragene Kopfbedeckung oder eine in gotischer Schrift geschriebene antike Bibel auf Polnisch, die ihm zeigen, dass es hier, im Herzen der sibirischen Taiga, ein kleines Stück unzugängliches Land gibt.