Schluss mit den Stereotypen: Stellen Sie Ihren russischen Freunden zukünftig gute Fragen!

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BENJAMIN DAVIS
Wodka, Putin und die Kälte: Russen, die im Ausland leben, werden täglich mit den vorherrschenden Russland-Klischees konfrontiert.

Ich kannte nur wenige Russen, bevor ich aus einer Kleinstadt in Massachusetts nach St. Petersburg gezogen bin. Das erste Mal, dass ich einen Russen im Ausland traf, war in Thailand. Es war eine Frau und ich stellte ihr die üblichen dummen Fragen: „Bist Du froh, dass es hier nicht so kalt ist? Ist es in Russland gefährlich? Was hältst Du von Putin?“ 

Sie war ruhiger und zurückhaltender als die meisten Menschen, die ich bis dahin in Thailand getroffen hatte. Schnell wurde mir durch ihr Verhalten bewusst, wie ignorant ich war. Sie erzählte lediglich, dass die Russen literweise Tee trinken würden. Rückblickend wünsche ich mir, ich hätte schon damals mehr über Russland gewusst und wäre mit weniger Vorurteilen auf sie zugegangen.

Ich habe also einige im Ausland lebende Russen befragt, damit Ausländer in Zukunft intelligentere Fragen stellen und die neuen russischen Freunde nicht mit den immer gleichen Klischees quälen. Räumen wir also mit einigen Missverständnissen auf. 

Es ist nicht überall kalt!  

Falls Sie es noch nicht wussten: Russland ist groß. Groß genug, um unterschiedliche Klimazonen zu haben. Fragen zum Thema Temperatur gehören zu den häufigsten und dümmsten, die gestellt werden.

„Es ärgert mich, wenn ich in Wien sage, dass es kalt ist und man sagt zu mir, ich sei als Russin doch schlimmeres gewöhnt“, sagt Maria (teilt ihre Erlebnisse auf TG: @viennastories).  „Ich denke dann, dass klirrend kalte -15°C in Moskau angenehmer sind als -10°C in Wien, wo es feucht und windig ist.“  

„Außerdem sind alle Leute erstaunt, dass wir nicht das ganze Jahr über in Winterkleidung herumlaufen, sondern sogar einen richtigen Sommer haben“, ergänzt Jewgenia, die schon viel im Ausland unterwegs war.  

Wenn Sie unbedingt über das Wetter sprechen wollen, versuchen Sie es doch einmal so: „Wie ist das Wetter in dem Teil Russlands, aus dem Du kommst?“

Sie können auch direkt über irgendein anderes Thema sprechen, jedoch bitte nicht schon wieder über Putin! 

Ausländer sprechen liebend gerne über Putin 

Der weltweite Personenkult um Wladimir Putin führt auch dazu, dass Ausländer viele Fragen zu ihm haben.

„Chinesen und Vietnamesen fragen oft, ob ich Putin mag. Sie sagen, sie mögen ihn, sie finden ihn cool“, berichtet Sonja, die in China lebt.

Fünf weitere Personen bestätigen mir, dass Putin ein großes Thema für Ausländer ist, die sich mit Russen unterhalten. Es geht entweder darum, dass sie erklären, wie großartig sie den russischen Präsidenten finden oder sie wollen darüber diskutieren, ob er wirklich „böse“ ist. Maria erzählt: „Ein älterer Kollege fragt mich ständig, wie es ‚meinem Freund Putin‘ gehe.“ 

Ist es nicht gefährlich in Russland? 

Diese Frage wird auch mir immer wieder gestellt und sie nervt mich. Schon vor meiner Abreise nach Russland wurde ich gewarnt und zur Vorsicht gemahnt. Tatsächlich hat Russland einen niedrigeren Kriminalitätsindex als die USA und viele andere Länder.

„Ja, viele glauben, es sei sehr gefährlich in Russland“, bestätigt Sonja. Und Maria hat sogar einmal eine Nachricht auf Tinder erhalten: „Es schreckt mich nicht ab, dass Du aus Russland kommst.“   

>>> Wie sicher ist Moskau für Touristen?

Wodka-Witze haben einen langen Bart  

Wussten Sie schon: Die Russen trinken immerzu Wodka! Ha, Ha, Ha …

„Wenn Freunde Witze darüber machen, ich sei eine russische Spionin, ärgert mich das weniger als die Frage, ob ich Wodka trinke”, sagt Julia, die aktuell in Irland wohnt und vorher in Japan gelebt hat.

„Jedes Mal, wenn wir eine Party veranstalten, bringt jemand eine Flasche Wodka mit, nach dem Motto: Das sind Russen, die lieben Wodka und nicht Wein!”, fügt Maria aus Finnland hinzu. 

>>> Klischee oder Realität: Warum lieben Russen Wodka?

Ausländer haben keine Ahnung vom russischen Regierungssystem  

Ein weit verbreitetes Missverständnis im Ausland ist, dass Russland ein totalitärer Staat sei. Das ist nicht wahr. Fragen Sie die Russen einfach, ob sie Ihnen etwas über die russische Regierung erzählen können, statt sie mit irgendeiner Meinung aus irgendeiner Talkshow zu konfrontieren.

„Ein US-Amerikaner war ganz überrascht, dass es in Russland Wahlen gibt. Er war überzeugt, wir hätten keine“, wundert sich Sonja. Alex, der in Rochester, New York, lebt, kennt diese Vorurteile: „Die Leute fragen mich, warum die russische Regierung Freiheit und Demokratie fürchte. So ein Unsinn! Ich habe empfohlen, weniger fernzusehen.“ 

Am Ende sind die vielen nervigen Fragen, die Russen im Ausland beantworten müssen, vor allem auf Missverständnisse oder Unwissenheit zurückzuführen. Ich hoffe, ich habe ein wenig dazu beigetragen, dass Sie zukünftig andere Fragen stellen werden.

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