Wie leicht oder schwer ist es, als Ausländer in Russland eine Stelle zu finden?

Natalja Nosowa
In Russland einen Job zu finden, dauert für Ausländer eine Weile. Ohne sehr gute Russischkenntnisse und Beziehungen wird es nicht leicht. Doch jeder Einsatz lohnt sich, bestätigen uns Expats, die bei der Stellensuche erfolgreich waren.

Wie in vielen Ländern der Welt kann es auch für russische Arbeitgeber schwierig sein, ausländische Fachkräfte zu beschäftigen. Die Abwertung des Rubels nach der Ukraine-Krise im Jahr 2014 hatte russische Unternehmen gezwungen, die Zahl der Arbeitnehmer aus dem Ausland zu verringern.

„Der Wertverlust des Rubels hat die Einstellung eines Expats für russische Arbeitgeber ziemlich teuer gemacht, wobei nicht nur der Lohn, sondern auch die Sachleistungen, die Expats normalerweise erhalten, berücksichtigt werden müssen“, sagt Timur Beslangurow, Partner bei Vista Immigration Firm. „Gleichzeitig können wir sehen, dass Russland nach der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2018 nicht nur ein beliebtes Reiseziel für Ausländer geworden ist, sondern auch immer mehr Ausländer in Russland leben und arbeiten möchten.“

Offiziellen Zahlen (rus) für Januar bis Juni 2019 zufolge kamen 2,4 Millionen Ausländer als Arbeitskräfte nach Russland. Die Mehrheit von ihnen sind Staatsbürger der GUS-Staaten, aber auch andere Länder sind vertreten. Der Spitzenreiter unter ihnen ist China (50.200 Expats), gefolgt von Deutschland (10.800), der Türkei (10.200), Italien (9.500) und Serbien (6.800). Sogar aus  Großbritannien (4.300) und den USA (3.700) kommen die Menschen. Wie kommt man an eine Anstellung in Russland? Wir haben ausländische Fachkräfte im Land gefragt.   

Die Stellensuche braucht Zeit 

Robert van Oosten, ein Archäologe aus den Niederlanden, zog 2013 nach Tscherepowez (Region Wologda), um mit seiner russischen Frau zusammenleben zu können. Die Suche nach einer Arbeitsstelle in seinem Fachgebiet gestaltete sich schwierig bis unmöglich. Das örtliche Archäologische Institut der Region Wologda hatte keine offenen Stellen und kein Budget, so dass er beruflich umsatteln musste.

  

„Ich habe beschlossen, Englisch- und Niederländischlehrer zu werden. Doch die örtlichen Sprachschulen hatten Angst, mir einen Vertrag zu geben, weil sie höhere Abgaben fürchteten“, erinnert er sich an die Anfänge.  „Vor drei Jahren bot mir eine der renommiertesten Schulen der Stadt eine Stellung an. Leider hat die städtische Bildungskommission mein europäisches Zertifikat nicht anerkannt und so wurde daraus nichts.“ Nun arbeitet van Oosten freiberuflich. 

Bei Umut Uyan aus der Türkei, hat es ebenfalls eine Weile gedauert, eine Stelle in Russland zu finden - genau genommen vier Monate. „Ich wollte als Controller und Planungsingenieur arbeiten und habe gezielt nach solchen Positionen gesucht. Über das Bewerbungsverfahren machte ich mir wenig Gedanken, da sind die Anforderungen von Bauunternehmen mehr oder minder immer  gleich. Mein Hauptproblem war es, Kontakt zu den Personalabteilungen zu bekommen und zudem waren meine Russischkenntnisse nicht gut genug“, erzählt er.   

Stellenangebot, aber kein Visum 

Léa Pieraggi von der französischen Insel Korsika ist vor zwei Jahren nach Moskau gegangen und suchte nach einem Job. Die gelernte Dolmetscherin arbeitete zunächst in einer Bar und dann als Leiterin und Englischlehrerin in einem Sommerlager in der Moskauer Region.

„Ich habe überall gesucht, vor allem aber auch über die Website ‚hh.ru‘, die mir Bekannte empfohlen haben. Ich habe Freunde und Freunde von Freunden gefragt und auf Facebook nach Stellenangeboten gesucht“, erinnert sie sich.

Sie wurde zu einigen Vorstellungsgesprächen eingeladen und bekam auch Zusagen, doch das Thema Visum mit Arbeitserlaubnis erwies sich oft als Hindernis. „Ich habe nicht damit gerechnet, wie schwer sich viele Unternehmen damit tun, für ihre Angestellten ein solches Visum zu beantragen. Es war entweder zu viel bürokratischer Aufwand für die Firmen oder sie hatten keine Berechtigung, ausländische Arbeitskräfte einzustellen. Ich habe zwar erwartet, dass es ziemlich schwierig wird, aber ich habe einfach nicht damit gerechnet, dass das Visumverfahren für beide Seiten so lang, so aufwendig und so teuer ist.“

Sie fand schließlich eine Stellung, doch bis sie ihr Visum mit Arbeitserlaubnis in der Tasche hatte, vergingen noch weitere vier Monate. 

Tipps, um die Chancen auf eine Stelle zu erhöhen 

Recherchieren Sie und finden Sie alles zum Thema Arbeiten in Russland heraus. Dies hilft Ihnen, sich zurechtzufinden, wenn Sie bei der Stellensuche erfolgreich waren. Zudem wissen Sie, was Sie erwartet und ob Sie wirklich nach Russland ziehen und dort arbeiten möchten. Auch das Bewerbungsverfahren wird leichter für Sie. 

„Mich hat am meisten die Frage nach meinem Gehaltswunsch überrascht“, sagt Léa Pieraggi. Diese Frage ist in Russland jedoch allgemein üblich. „Bislang war ich es nicht gewohnt, schon im Vorstellungsgespräch Gehaltsverhandlungen zu führen. Bisher hat der Arbeitgeber das Gehalt bestimmt.“

„Ich hatte höhere Ansprüche an meine Englischkenntnisse und anspruchsvollere Fragen im Vorstellungsgespräch erwartet. Doch es war ziemlich allgemein gehalten“, berichtet Cristian Javier aus Peru. „Überzeugen Sie den Personaler im Gespräch von Ihrem Potenzial und davon, dass genau Sie der oder die Richtige für diese Position sind!“  

Auch wenn in einigen Fällen das Herkunftsland durchaus eine Rolle spielt, sind es letztendlich Ihre persönlichen Fähigkeiten und Ihre Russischkenntnisse, mit der Sie sich von der Masse abheben können.

„Meistens haben Bewerber aus englischsprachigen Ländern eine viel bessere Chance als solche aus Ländern der Dritten Welt“, meint Tommy aus China, der als Journalist in Moskau arbeitet und fügt hinzu: „Wie überall spielt aber auch in Russland die Berufserfahrung eine bedeutende Rolle. Und ohne fließend Russisch zu sprechen, werden Sie kaum erfolgreich sein bei der Jobsuche.“ 

Denken Sie auch daran, alle Verbindungen zu nutzen, die Sie möglicherweise im Land haben. „Bilden Sie ein riesiges Netzwerk von Freunden und Kontakten. Es ist der beste Weg, einen Job zu finden. Social Networking ist unerlässlich. Ich meine in der Realität, nicht in den sozialen Medien!“, betont Robert van Oosten. Léa Pieraggi kann das bestätigen: „Sie können Ihre ganze Energie in die Suche nach einem Job stecken, doch ohne die richtigen Leute zu kennen und diese Kontakte zu pflegen, kommen Sie nicht weiter.“ 

Versuchen Sie, schon vor Ihrem Umzug nach Russland einen Arbeitsvertrag in der Tasche zu haben. Denn vieles in Russland braucht Zeit. Aber es lohnt sich. Also viel Glück! 

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