Was macht die russische Mentalität aus? Wodurch unterscheidet sie sich von jener anderer Nationalitäten? Wir haben für Sie die gefragt, die es wissen müssen: Russen, die entweder selbst schon im Ausland gelebt haben oder viel mit Ausländern zu tun haben.
„Erstens: Wir Russen haben eine tiefe Seele und wir würden alles für jemanden tun, den wir mögen. Wir sprechen gerne über sehr persönliche Dinge, was in den Augen eines Ausländers zu intim wirken kann.
Zweitens: Wir sind fatalistisch. Wir sind überzeugt, dass man seinem Schicksal nicht entkommen kann. Also lasst uns eine Flasche Wein kaufen …
Drittens: Wir sind sehr bequem. Natürlich könnte ein Russe jederzeit in den Weltraum fliegen, aber gerade schläft leider die Katze auf der Brust …“(Olga, Flugbegleiterin aus St. Petersburg)
„Wir haben eine besondere Einstellung zur Freundschaft. Wenn wir eine Person als unseren Freund betrachten, sind wir bereit, alles zu tun, um ihm zu helfen. Wir würden unser letztes Hemd geben. Zugleich sind wir sehr fordernd. Wir wollen die Aufmerksamkeit unserer Freunde und werden sauer, wenn sich jemand eine Weile nicht meldet. Es ist uns auch wichtig, mit jemandem, der uns nahesteht, unsere Probleme zu besprechen, von Herz zu Herz. Viele Russen haben die Einstellung, dass man keinen Psychologen braucht, wenn man Freunde hat.“ (Sascha, Journalistin aus Moskau)
>>> Freundschaft hat in Russland viele Namen
„Unsere russische Seele wurde nach 1917 geprägt (…). Gleichheit war das Hauptprinzip der Gesellschaft. Wir sind von Natur aus sehr offen, wenn es um unsere Gefühle geht, auch gegenüber Menschen, die wir zum ersten Mal im Leben sehen. Sie können mich fragen, wie viele Liebesgeschichten ich in meinem Leben schon hatte und ich werde mich um eine ernsthafte Antwort bemühen.
Zugleich würde ich es als Unhöflichkeit betrachten, einem Ausländer Fragen zu meinem Einkommen zu beantworten.
Was ich noch denke: Wir sind die größten Fatalisten der Welt. Selbst Genetik betrachten wir weniger als Wissenschaft, sondern als Vorherbestimmung unseres Schicksals.
Vielleicht sollten daher Ausländer, die in Russland auf Partnersuche gehen, nicht so enttäuscht sein, wenn es schief geht. Es war einfach nicht so vorgesehen. Versuche es noch einmal!“ (Arina, Reiseführerin aus St. Petersburg)
„Es fällt uns schwer, unsere Arbeit oder unser Leben langfristig zu planen. Wenn wir am Sonntag eine Frist haben und heute Montag ist, werden wir unsere Arbeit nicht so einteilen, dass ein Teil davon am Dienstag, dann am Mittwoch usw. erledigt wird. Wir werden nichts anderes tun, als darüber nachzudenken und uns Sorgen machen.
Und in der Nacht vor Ablauf der Frist werden wir anfangen. Unter immensem Druck und schrecklichem Stress wird die Arbeit endlich erledigt. Nur in solchen Krisensituationen (unter bemerkenswertem Druck von außen) werden wir aktiv und unsere Kreativität und unser Organisationstalent blüht auf.“ (Wsewolod, Top Manager aus Moskau)
„Wir sind unfähig, vorauszuplanen und sehr spontan. Es ist üblich, dass wir uns plötzlich entscheiden, ein Wochenende zu verreisen oder mit unseren Freunden ein kurzfristiges Treffen zu vereinbaren. Für manche Ausländer ist das schwer zu verstehen, weil sie so etwas drei Wochen im Voraus planen.“ (Natalja, Redakteurin aus Moskau, die eine Weile in Japan gelebt hat)
„Ich denke, die Russen sind sehr unnachgiebig. Und diese Beharrlichkeit zahlt sich aus, wenn es um das Erreichen von Zielen geht.
Dazu kommt unsere ausgeprägte logische Denkweise. In den letzten fünf Jahren habe ich in einer so multinationalen Stadt wie Montreal Quests organisiert und viele verschiedene Menschen und ihre Ansätze zur Lösung von Problemen beobachten können. Russen sind leicht zu erkennen an der Art, wie sie denken, nämlich logisch. Wir haben auch am Anfang unsere Spiele sehr logisch gestaltet und es kamen vor allem russische Besucher. Dann haben wir die Quests so angepasst, dass sie von jedem bewältigt werden konnten.
Ein weiterer Beweis dafür, dass Russen logisch denken, ist, dass ich viele Freunde habe, Russen und Nicht-Russen, aber Schach spielen vor allem die russischen Freunde gerne. (Alexander, Unternehmer aus Moskau, Gründer der Escape Room Game Company in Kanada)
„Die Russen sind bekannt für ihren Mut, der manchmal zu Problemen führen kann, uns aber dennoch ermöglicht, viele Herausforderungen zu meistern. Kinder lernen von Anfang an „Russisch sein“: bestimmte Redewendungen, Essgewohnheiten, Misstrauen gegenüber Außenstehenden und unvergessliche Abende mit einem Glas Hochprozentigem am Küchentisch.
Wir sind stolz auf unsere Tiefsinnigkeit. Gitarre spielen, Schaschlik grillen, im Winter in ein Eisloch tauchen, das ist russisch. Wir Russen wissen, dass man alles Materielle genießen sollte. Aber wirklich glücklich kann man nur sein, wenn man mit der Familie und mit Freunden zusammen und in der Natur ist.
Wir haben die ungewöhnlichste Kultur der Welt. Nur in unserem Land können sich ein Physiker, ein Unternehmer und ein Bergmann zusammen an einen Tisch setzen und über die Gedichte von Puschkin und Majakowski diskutieren.“ (Daniil, Unternehmer aus St. Petersburg, lebt zurzeit in Kanada)
„Ich denke, viele Russen leben über ihre Verhältnisse. Sie ziehen es vor, im ‚Hier und Jetzt‘ zu leben. Sie kaufen Dinge, die sie sich eigentlich nicht leisten können, sei es, um jemanden zu beeindrucken oder das zu haben, was alle haben. Dafür ist es für sie in Ordnung, einen Kredit aufzunehmen.“ (Swetoslawa, Herausgeberin aus Moskau)