Mach mal Poldnik: Die russische Kaffeepause

W. Korotkow/TASS
Bei dem Wort Poldnik kommen bei vielen von uns Kindheitserinnerungen hoch. Gerne denken wir an den Nachmittags-Snack im Kindergarten oder Sommerlager zurück.

Die russische Leidenschaft, Tee zu trinken und dazu etwas Süßes zu essen, hat ihre Wurzeln in der Kindheit. Seit der Sowjetzeit und bis heute haben alle russischen Kinder Poldnik in Kindergärten. Poldnik ist immer mit großen Erwartungen verbunden. Nie weiß man, was heute auf der Speisekarte steht. Einige träumen von Kakao, andere stellen sich vor, welches Gebäck es wohl geben wird. Auch Erwachsene haben noch Poldnik – in Gesundheitseinrichtungen. 

Seit wann gibt es Poldnik? 

Poldnik ist laut aktuellem russischem Wörterbuch „eine leichte Mahlzeit zwischen Mittag- und Abendessen”. Interessanterweise wurde im ersten Wörterbuch der russischen Sprache (1863), das die Bauernsprache zusammenfasste, eine Mahlzeit zwischen Abendessen und Nachtmahl „Pauschin“ genannt, ein archaisches Wort, das in der modernen russischen Sprache nicht mehr existiert. 

Im ersten sowjetischen Wörterbuch, das 1935 erschien, wird Poldnik als „Frühstück oder Nachmittagsmahlzeit“ erklärt. Es gibt verschiedene Versionen der Etymologie des Wortes Poldnik. Es stammt womöglich von „polden“, zu Deutsch „Nachmittag“. Um 12 Uhr, wenn die Sonne am höchsten stand, machten die russischen Bauern eine Essenspause. Ihr Tag begann üblicherweise zwischen vier und fünf Uhr morgens mit dem Frühstück. Eine weitere Mahlzeit gab es gegen neun Uhr und später am Nachmittag eine Zwischenmahlzeit im Schatten von Birken: Poldnik. 

In der vorrevolutionären Tradition der russisch-orthodoxen Kirche tranken die Menschen nach einer Mittagsmesse namens „obednja“ (vom Wort „obed“, was Mittagessen bedeutet) vor der Hauptmahlzeit, die sie zu Hause hatten, gemeinsam Tee. Aber die Sowjets schafften die religiösen Traditionen ab. 

Daher könnte Poldnik auch die Bedeutung „Hälfte des Tages“ oder „Mittag“ haben („poldnja” oder „polowina dnja“, russische Schreibweise „полдня“ oder „половина дня“). Das Proletariat und die Arbeiter in den Fabriken wussten, dass gegen 16 Uhr der halbe Arbeitstag geschafft war und sie eine kleine Essens- und Ruhepause machen konnten. 

Die sowjetischen Kinder sollten nach ihrem Mittagsschlaf Poldnik haben, um die Energien wieder aufzuladen. 

Was wird bei Poldnik gegessen? 

Gemäß den offiziellen Hygienevorschriften (rus) des modernen Russlands sollte Poldnik zehn bis 15 Prozent der täglich empfohlenen Kalorienzufuhr ausmachen (für Kinder im Alter von drei bis sieben Jahren sind es 1.800 Kalorien pro Tag).

Poldnik besteht aus einem Getränk und einem Snack. Eine Vielzahl von Getränken kann serviert werden, darunter Tee, Kakao, Saft, Kissel (ein Getränk aus Beeren), Kompott oder Sauermilchprodukte und Joghurt (niemals Soda oder Cola). Übrigens werden all diese Getränke häufig in einem schon zu Sowjetzeiten beliebten Pressglas gereicht. 

Dazu gibt es Kekse oder ein Sandwich oder Pastetchen. Eine andere Option ist Hüttenkäse oder ein russischer Auflauf namens Sapekanka. Gegessen wird normalerweise zwischen halb vier und vier Uhr, nach dem Mittagsschlaf. Poldnik gibt es in allen Ganztagseinrichtungen wie Kindergärten oder Ferienlagern, in denen die Kinder acht bis zehn Stunden oder länger verbringen. In Schulen ist es optional, da es dort meist keine Mittagsruhe gibt und die Kinder nach dem Essen gegen ein Uhr nach Hause gehen.  

Essen auch die modernen Russen Poldnik? 

Wie bereits erwähnt, ist Poldnik in Kindergärten und Ferienlagern noch immer fester Bestandteil des Tages. Aber was ist mit Erwachsenen? Erwachsene bekommen Poldnik in Gesundheitseinrichtungen wie Sanatorien oder Krankenhäusern. Es ist dort normalerweise eine sehr leicht bekömmliche Mahlzeit, die aus Kefir oder anderen Sauermilchprodukten besteht. 

Experten befürworten Poldnik. Eine gesunde Ernährung sollte vier bis fünf Mahlzeiten pro Tag beinhalten (manchmal ist ein zweites Frühstück berücksichtigt). Bei nur drei Hauptmahlzeiten (Frühstück, Mittag-, Abendessen) am Tag besteht die Gefahr, dabei zu viel zu essen.

Im Allgemeinen assoziieren russische Erwachsene Poldnik jedoch mit etwas aus der Vergangenheit, aus der Kindheit und oft werden darüber Scherze gemacht.

Russische Büroangestellte haben die Tradition, nach dem Mittagessen gegen 17 Uhr Tee zu trinken. Es ist eine willkommene kurze Pause. Der Arbeitstag ist fast geschafft und jeder ist schon ein wenig müde. Doch es liegen noch ein oder zwei Stunden vor dem Feierabend. Es dauert also noch eine Weile, bis es Abendessen gibt. 

Kurz bevor ich mit diesem Artikel fertig bin, freue auch ich mich auf meine Pause um 17 Uhr, auf meinen Poldnik. Es gibt Tee und Waffeln nach alter sowjetischer Schule.

>>> Wie war das sowjetische System der Gemeinschaftsverpflegung organisiert? (FOTOS)

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