Kathedral-Ensemble Ostaschkow - orthodoxes Juwel am Seligersee

Sergej Prokudin-Gorski
Noch im Mittelalter profitiert Ostaschkow von seinen guten Beziehungen zur Spitze der Kirche in Moskau. Heute sticht es darum mit einer besonders reichen Architektur hervor.

Die strategische Seite

Noch im Mittelalter profitiert Ostaschkow von seinen guten Beziehungen zur Spitze der Kirche in Moskau und dem mächtigen Kloster des Heiligen Joseph Wolozkij in der Nähe von Wolokolamsk, das bereits im Jahre 1500 Stadtrecht erhielt. Die beiden Stadtteile wurden dann "Patriarch" und "St. Josephs" genannt.

Während der Thronfolge-Konflikte der Zaren im frühen 17. Jahrhundert, bekannt als Zeit der Wirren, wurde Ostaschkow 1608 und 1609 von rivalisierenden Fraktionen besetzt. Die 1687 in der Siedlung errichteten Blockbefestigungen waren dann aber immerhin stark genug, um einem erneuten polnischen Angriff im Jahre 1610 standzuhalten. Die Stadt außerhalb der Mauern wurde völlig zerstört.

Glücklicherweise erholte sich Ostaschkow aber bald wieder. Seine Rolle als strategischer Grenzposten und seine Lage am Wasserstraßennetz zwischen Welikij Nowgorod im Nordwesten und dem Wolga-Einzugsgebiet im Südosten führte im 17. Jahrhundert zu einem starken Wirtschaftswachstum. Der Seligersee versorgte die Stadt zudem zuverlässig mit Fisch.

Steinerne Dreifaltigkeit

Ein großes Feuer im September 1676 zerstörte wieder einen großen Teil des Stadtzentrums. Da jedoch die städtische Wirtschaft dieses Unglück anfangen konnte, spiegelten sich sowohl Wohlstand der Stadt als auch die Notwendigkeit, nach dem Brand schnell alles wieder aufzubauen, in den ungewöhnlichen Konstruktion der zwei großen Steinkirchen wider.

Eine wurde der Auferstehung, die andere der Dreieinigkeit gewidmet. Letztere wurde 1685 begonnen und 1697 der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht. Ursprünglich wies die Dreifaltigkeitskathedrale ein für das späte 17. Jahrhundert typisches Ornament mit dekorativen Fensterumrahmungen und Nischen auf. Die fünf oberen Kuppeln ruhten auf halbkreisförmigen Ziergiebeln.

Während des 18. und 19. Jahrhunderts wurde die Dreifaltigkeitskathedrale mehr als einmal modifiziert, dazu gehörte auch ein neues Dach mit neoklassischen Giebeln. Mitte des 18. Jahrhunderts erhielt die Kathedrale eine einstöckige geschlossene Galerie und vier sekundäre Altäre.

Ebenfalls in der Mitte des 18. Jahrhunderts begannen die Arbeiten  an dem großen freistehenden Glockenturm westlich der Dreifaltigkeitskathedrale. Sein Stil zeigt barocke Züge, die typisch für die provinzielle Architektur des 18. Jahrhunderts sind. Im Jahr 1854 wurde zur Südfassade des Turms eine kleine Schatzkammer hinzugefügt.

Die Dreifaltigkeitskathedrale wurde in der Sowjetzeit geschlossen und schließlich dem örtlichen Geschichtsmuseum übergeben, das bis heute das Gelände betreut. In den 1970er Jahren wurde das Äußere der Dreifaltigkeitskathedrale restauriert. So konnte der Großteil der barocken Innenausstattung erhalten werden.

Die Auferstehung der Auferstehung

Die nahegelegene Auferstehungskirche wurde etwas früher im Jahre 1677 begonnen. Im Jahr 1689 geweiht, hatte die Kirche zwei Altäre, die der Geburt Johannes des Täufers, dem Hl. Joseph Wolotski, der Mariä Himmelfahrt und der Geburt Christi gewidmet waren.

Wie ihr Nachbar war die Auferstehungskirche (die manchmal auch als Kathedrale bezeichnet wird) eine relativ einfache quaderförmige Struktur. Auch sie erhielt Mitte des 18. Jahrhunderts eine einstöckige geschlossene Galerie. Die Innenräume beider Kirchen wurden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit einer üppigen barocken Ausschmückung versehen.

Während der Sowjetzeit hatte die Auferstehungskirche jedoch weniger Glück als ihre Dreifaltigkeits-Nachbarin. Sie wurde zu einer Werkstatt umgebaut, was nicht alle Fresken im Innern unbeschadet überstanden.

Ostaschkow hat viel von seiner wirtschaftlichen Basis verloren. Seit 1989 ist die Bevölkerung um mehr als ein Drittel zurückgegangen. Dennoch hat die orthodoxe Kirche Restaurierungsarbeiten in Angriff genommen, der zunehmende Tourismus in der Region fördert diese Ansätze. Enorme Arbeit ist jedoch noch erforderlich, um das zentrale architektonische Ensemble der Stadt wieder in altem Glanz erstrahlen zu lassen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte der russische Chemiker und Fotograf Sergej Prokudin-Gorski ein aufwändiges Verfahren für die Farbfotografie. Seine Vision der Fotografie als eine Form von Bildung und Aufklärung zeigt sich besonders in seinen Fotografien der mittelalterlichen Architektur historischer Siedlungen wie Suzdal und Wladimir. Zwischen 1903 und 1916 reiste er durch das Russische Imperium und schoss mit seiner neuen Technik über 2000 Fotografien, die drei Aufnahmen auf einer Glasplatte beinhalten. Im August 1918 verließ er Russland mit seiner Kollektion von Glasnegativen und ging nach Frankreich. Nach seinem Tod im Jahr 1944 in Paris verkauften seine Erben diese Kollektion an die Kongressbibliothek. Im frühen 21. Jahrhundert digitalisierte die Bibliothek die Prokudin-Gorski-Kollektion und machte sie für die Öffentlichkeit frei zugänglich. Zahlreiche russische Webseiten führen nun Teile dieser Kollektion auf.

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