Die goldene Kirche zu Kostroma - ein Vermächtnis kaufmännischer Teufelsangst

Der Bau einer der beeindruckendsten russischen Kirchen ist nur einem Schatzfund zu verdanken. Und der Furcht des Finders.
August 2017

Kostroma macht seinem großen Nachbarn Jaroslawl im Bereich der Sakralarchitektur ernsthafte Konkurrenz. Außerdem spielte der Ort auch taktisch noch eine wichtige Rolle in der russischen Geschichte.

Die Kaufmanns-Kirche

1910

Kostromas – und womöglich ganz Russlands – farbenfroheste Kirche steht am Ufer der Wolga, dem ehemaligen Handels- und Handwerkerviertel der Stadt, das besonders für seine feinen Lederwaren bekannt war. Die Auferstehungskirche wurde im 17. Jahrhundert gebaut und ersetzte frühere Gotteshausbauten an derselben Stelle mit dem Namen „Debrja“ – einem flachen Ort mit dichtem Wald.

2017

Eine Legende besagt, dass der ansässige Lederhändler Kirill Isakow die Kirche gespendet habe. Isakow handelte unter anderem mit englischen Gütern. Und als er einmal ein solches Warenbündel von der Insel öffnete, fand er darin statt Färbemittel Goldmünzen. Aus Angst vor teuflischen Machenschaften, so heißt es, habe er sich dann dazu entschieden, diese wundersamen Münzen in den Bau einer Kirche zu investieren. Gemeinsam mit einigen anderen Gemeindemitgliedern konnten sie dann auch die gesamten Kosten decken.

Struktur der Ornamente und Fresken

1910

Das Zentrum des Baus ist eine hohe Figur, gekrönt durch fünf dekorative Kuppeln. Die Wände teilen gepaarte Säulen, die  ein hohes Fenster mit aufwendigen Ornamenten auf dem Rahmen halten. Über dem Sims befinden sich halbrunde Giebel mit Fresken.

Diese Struktur unterstreicht die nach Norden, Westen und Süden führende Fassadengalerie. Im Zentrum einer jeder einzelnen Galerie befindet sich eine Treppe, die jeweils auf eine reich mit Ornamenten geschmückte Veranda herabführt.

2017

Stilistisch orientiert sich der Bau an der Mode seiner Zeit in den nahen und größeren Nachbarstädten Rostow und Jaroslawl.

Erst einige Jahre nach dem Bau der Kirche selbst erhielt sie noch eine Grundstücksmauer mit Toren in zwei Teilen. Das höhere Tor von beiden krönen Ornamenttürmchen und kleine Kuppeln.

Die Innenräume der Kirche wurden in den Jahren 1650 bis 1652 mit Fresken ausgestaltet. Im Hauptraum wurden diese dann bei einer Renovierung der Kirche 1870 übermalt. Und zu Sowjetzeiten verwahrlosten sie völlig. Erst in den 1960er Jahren begann man, sie sukzessive wieder aufzuarbeiten.

Die Vollendung des Ensembles

1910

Nach dem Bau der Grundanlage entstand an der Nordseite noch eine zusätzliche große Kapelle,  die den Heiligen Basilius, Georgij und Johannes Chrysostomos geweiht wurde. Die dortigen Fresken stammen aus dem Jahr 1670 und sind bis heute in recht gutem Zustand. Ein weiterer Altar in der Südachse ist der Heiligen Katharina gewidmet.

An der Wende zum 19. Jahrhundert wurde dann noch eine “bescheidenere” Winterkirche ergänzt. Sie ist kleiner und darum in den kalten Wintermonaten viel leichter zu beheizen. Sie ist der Ikone der Gottesmutter vom Zeichen („Snamenije“) geweiht.

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Etwa zur gleichen Zeit wurde auch der bisherige Glockenturm der Auferstehungskirche demontiert, um bald einen neuen, höheren Turm am Westende der Snamenije-Kirche zu errichten. Der Glockenturm erhielt seinen eigenen Altar, geweiht dem Heiligen Prokop von Ustjug. Damit erreichte das Ensemble seine finale Form.

1913 besuchte auch Zar Nikolai II. die Auferstehungskirche in Kostroma. Während seines Besuchs stieg er auch auf den neuen Glockenturm, um den Blick über die nahe Wolga zu genießen.

Sowjetische Tragödie, sowjetischer Aufbau

1910

In den späten 1930er Jahren wurde die Auferstehungskirche geschlossen. Bis 1946 diente sie den Kommunisten als Getreidespeicher. Dann aber wurde sie als Hauptkathedrale Kostromas wiedereröffnet.

Das Schicksal der Snamenije-Kirche ist ähnlich: Sie wurde bereits in den 20ern geschlossen, ihrer Kuppel beraubt und weiter ebenfalls als Getreidespeicher genutzt. Der große Glockenturm wurde 1937 abgerissen.

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1993 wurde die Kirche zwar zurückgegeben und auch teilweise wiederaufgebaut. 2001 konnte dann sogar die Rekonstruktion des Glockenturms abgeschlossen werden. Seitdem können Sie von hier aus denselben weiten Blick über die breite Wolga und die schöne Umgebung Kostromas werfen!

2017

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte der russische Chemiker und Fotograf Sergej Prokudin-Gorski ein aufwändiges Verfahren für die Farbfotografie. Seine Vision der Fotografie als eine Form von Bildung und Aufklärung zeigt sich besonders in seinen Fotografien der mittelalterlichen Architektur historischer Siedlungen wie Suzdal und Wladimir. Zwischen 1903 und 1916 reiste er durch das Russische Imperium und schoss mit seiner neuen Technik über 2000 Fotografien, die drei Aufnahmen auf einer Glasplatte beinhalten. Im August 1918 verließ er Russland mit seiner Kollektion von Glasnegativen und ging nach Frankreich. Nach seinem Tod im Jahr 1944 in Paris verkauften seine Erben diese Kollektion an die Kongressbibliothek. Im frühen 21. Jahrhundert digitalisierte die Bibliothek die Prokudin-Gorski-Kollektion und machte sie für die Öffentlichkeit frei zugänglich. Zahlreiche russische Webseiten führen nun Teile dieser Kollektion auf.

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