Die kleine, aber sehr gebirgige Republik Karatschai-Tscherkessien begrüßt ihre Gäste wie liebe Freunde: Sie bewirtet sie, singt für sie und bietet ihnen nur das Beste. Und das Beste hier, das sind die grenzenlosen Kaukasusberge, die die Besucher mit ihren grauen Gletschern, steilen Pässen und schnellen Flüssen anziehen. Wir ritten auf Pferden, fuhren auf dem Snowboard und wanderten durch Karatschai-Tscherkessien und fanden heraus, warum Extremsportliebhaber, Romantiker und Gourmets hierher kommen.
Während Sie sich anderswo wahrscheinlich ein Auto mieten würden, um die Umgebung zu erkunden, werden Sie sich in Karatschai-Tscherkessien wahrscheinlich lieber ein normales Pferd besorgen wollen. Auch wenn Sie noch nie zuvor geritten sein sollten, ist es eine gute Idee, in den Bergschluchten des Krasnyj Kurgan (des Roten Hügels) zu beginnen, wo die Karatschai-Pferde gezüchtet werden.
Neben der Einweisung zum Reiten erhalten die Frauen hier als Bonus auch noch das Geheimnis der kaukasischen Langlebigkeit mitgeteilt: „Männer altern hier bei uns nicht“, sagen die Einheimischen und man weiß nicht, ob dies ein Scherz oder aber ernst gemeint ist. „Ein Mann altert nur, wenn er das Interesse an Frauen verliert, aber das kann ihm hier nicht passieren. Deshalb sollten Sie sich besser nicht allzu weit vom Instruktor entfernen!“
Das elegante schwarze Karatschai-Pferd hat seinen eigenen eingebauten Navigator und liebt es, sich auf den schmalen Pfaden in der Bergschlucht fortzubewegen. Anfangs meint man, dass es irgendwie ungleichmäßig läuft und sogar über irgendeinen Stein stolpern könnte (in diesem Moment fühlt man sich leicht unwohl), aber tatsächlich ist es eine der zuverlässigsten Rassen der Welt – mit diesen Pferden kommt man sogar bis zum Elbrus.
Es fühlt sich so an, als ob das Pferd Spaß daran habe, die Straße hinabzulaufen, ohne auf den Weg und die dornige Vegetation zu achten – es ist einfach ein unvergessliches Erlebnis. Nach ein paar Stunden glaubt man, mit dem Pferd eine Einheit zu bilden.
Während die Touristen das Reiten erlernen, fahren die Einheimischen lieber Ski oder Snowboard. Das neue Ganzjahresresort Archys, das Ende 2013 eröffnet wurde, scheint ideal für aktive Erholung voller Bergromantik zu sein.
Wir kaufen einen Skipass, mieten ein Snowboard und einen Helm und machen uns auf den Weg, um die Pisten zu erobern. Natürlich nicht sofort – zuerst hören wir uns an, was uns der Instruktor auf der Übungspiste erzählt. Erst nachdem wir etwa zwanzig bis dreißigmal hingefallen sind (nicht absichtlich, natürlich), die Beine nicht mehr gehorchen und wir das Gleichgewicht verlieren, erklärt uns der Instruktor, dass es Zeit sei, uns zur richtigen Piste zu begeben – die ist genauso unbefahren, wie wir unerfahren.
Und für die, die Freiheit und Adrenalin wollen: Herzlich willkommen auf dem neu eröffneten Südhang für Profis! Das einzige Problem besteht darin, dass es hier oben kein Internet gibt – man musst also erst nach untern fahren, um die Fotos an seine Freunde posten zu können.
Hier trifft man auf viele erfahrene Wintersportler, die zum ersten Mal hierhergekommen sind: Alexander aus Rjasan, zum Beispiel, verbrachte früher seinen Winterurlaub in Sotschi, aber er sagt, dass es hier deutlich ruhiger sei und die Skipässe viel preiswerter. Leonard und Margot aus Woronesch waren früher am Elbrus und Dombaj, aber hier gefallen ihnen der Service und die „perfekte Vorbereitung“ der Pisten besser. Wassilij und Irina aus Moskau erklären, dass es sich um ein Resort auf europäischem Niveau handele, obwohl sie feststellen mussten, dass die Preise für Hotels in der Saison mit denen in Österreich vergleichbar sind.
Die nächstgelegenen Dörfer haben die poetischen Namen Lunnaja Poljana (Mondfeld) und Romantik, aber die jungen Leute ziehen es vor, ein Hotel direkt unterhalb der Piste in Archys zu buchen. Dort kann man ein günstiges Zimmer in einem Gästehaus mieten und sich in den kaukasischen Kebab-Stuben zum Apres-Ski zusammenfinden. Von dort aus ist es zudem bequemer, Ausflüge zu unternehmen – und es gibt hier jede Menge zu sehen!
In den Bergen bricht die Nacht schlagartig herein: Die Sonne versteckt sich hinter einem verschneiten Hang und der Himmel ist plötzlich von einem funkelnden Sternenhimmel bedeckt. Der Nachthimmel in Karatschai-Tscherkessien ist so beeindruckend, dass man gar nicht aufhören möchte, ihn zu bewundern. Die Einheimischen beobachten die Sterne seit Jahrhunderten: In Nischni Archys gibt es ein altes Observatorium, mit dessen Hilfe bereits vor tausend Jahren das Datum der Sonnenwende von den Alanen ermittelt wurde – dieses Volk lebte hier vor dem Mittelalter und es heißt, dass sogar König Arthur alanische Wurzeln gehabt habe.
Fährt man noch siebzehn Kilometer auf der Serpentinenstraße bergauf, gelangt man zum größten astrophysikalischen Zentrum Russlands. Freitags, am Wochenende und an Feiertagen ist es für Besucher geöffnet. Die Sterne lässt man Sie hier wahrscheinlich nicht beobachten, aber Sie können ein riesiges Teleskop mit einem Gewicht von 650 Tonnen unter der Kuppel und das alte Bedienpult sehen, das längst durch moderne Computer ersetzt wurde. Und natürlich lohnt es sich, hierher zu kommen, um einen unglaublich fotogenen Blick auf das Archystal zu werfen.
Die traditionelle kaukasische Küche ist in Karatschai-Tscherkessien weit verbreitet. Während Sie sich auf einen duftenden Lammspieß, deftige Suppen, Frischkäse und hausgemachten Ayran freuen können, werden Sie heimlich und ganz plötzlich von Chytschins angegriffen. Dabei handelt es sich nicht etwa um wilde Tiere, sondern um ein dickes, in Öl gebackenes Fladenbrot mit einer saftigen Füllung: Kartoffelpüree, Käse, Kräuter oder Hackfleisch. Nach einer Portion hat man ein Kilogramm zugenommen – aber zeigen Sie mir jemanden, der es bei einer Portion belassen würde!
Die Einheimischen sagen, dass die Bergluft Giftstoffe aus dem Körper entferne, aber wenn man fragt, wie man die Chytschins wieder loswird, wird man verschmitzt angelächelt und bekommt eine weitere Portion aufgetischt. Dabei gelten sie nicht einmal als Hauptgericht – normalerweise werden sie zum Kebab gereicht, sind also eine Art Beilage. Und übrigens sollte man nicht unbedingt mit Salaten, Früchten und anderen leichtfertigen Speisen rechnen – im Kaukasus wird das Essen ernst genommen, so wie es sein sollte!
Anreise: Der nächstgelegene Flughafen befindet sich in Mineralnyje Wody, 200 Kilometer entfernt. Sie können mit dem Bus oder Taxi nach Archys gelangen.
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