Sergijew Possad: Die orthodoxeste Stadt Russlands

Reise
ALEXANDRA GUSEWA
Die Legende sagt: Solange das Dreifaltigkeitskloster besteht, besteht auch Russland.

Anreise von Moskau: Mit dem Zug ab Jaroslawler Bahnhof (Reisezeit eineinviertel Stunde bis eine Stunde und vierzig Minuten) 

Wann Sie keinesfalls reisen sollten: Während der wichtigsten orthodoxen Feiertage: Weihnachten (7. Januar) und Ostern 

Was Sie vor Ort tun sollten:

Als Possad wurde im alten Russland eine Händler- bzw. Handwerkersiedlung bezeichnet, die in der Nähe einer Klosteranlage oder einer fürstlichen Domäne entstanden war.

Per Dekret von Katharina der Großen erhielt die Siedlung, die rund um das Dreifaltigkeitskloster gewachsen war, im Jahr 1782 den Namen Sergijew Possad zu Ehren des Heiligen Sergius von Radonesch, Gründer des Klosters. 

Wofür ist das Dreifaltigkeitskloster berühmt? 

Der Legende nach errichtete Sergius von Radonesch etwa um 1340 gemeinsam mit ein paar Mönchen eine Unterkunft und daneben eine Kirche, die sie der Dreifaltigkeit widmeten. 

Die Dreifaltigkeitskathedrale sollten Sie in jedem Falle besichtigen. Mit dem heutigen Bau wurde 1422 begonnen. Sie wurde mehrfach umgestaltet und restauriert. Im Inneren haben sich die größten  Künstler des 15. Jahrhunderts verwirklicht. Andrei Rubljow schuf für die Ikonostase das Heiligenbild der Dreifaltigkeit, eine der am meisten verehrten Ikonen der russisch-orthodoxen Kirche. 

Sie ist nicht leicht zu entdecken. Sie finden Sie in der unteren Reihe der Ikonostase rechts vom Tor zum Altar.   

Wenn Sie übrigens den Namen einer Kirche nicht kennen, sehen Sie sich die Ikone in der unteren Reihe rechts vom Tor an - die Kirche ist dieser Ikone gewidmet.

Das Kloster hatte eine besondere Bedeutung für Iwan den Schrecklichen. Hier wurde er getauft, hier hat er geheiratet und hier betete er nach erfolgreichen Feldzügen. 

Das Kloster überstand eine polnische Invasion während der Zeit der Wirren. Peter der Große bereitete hier einen Staatsstreich gegen seine regierende Halbschwester Sofia Alexejewna vor. 

Auf dem Klostergelände befinden sich zehn Kirchen, die zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert erbaut wurden. Sie erlauben einen faszinierenden Einblick in die Entwicklung der russischen Kirchenarchitektur. Sie müssen nicht alle besichtigen, das könnte zu viel Kirche auf einmal sein. 

Ein Muss ist jedoch die Mariä-Entschlafens-Kathedrale, deren Bau Iwan der Schreckliche höchstpersönlich in Auftrag gegeben hat. Sie ist leicht zu erkennen an ihren blauen Kuppeln mit den goldenen Sternen. Daran können Sie erkennen, dass eine Kirche der Himmelfahrt der Jungfrau Maria gewidmet ist. Das gilt für alle Städte des Goldenen Rings.  

Im Inneren sollten Sie sich unbedingt die Wandmalereien und den hölzernen Sarg des Heiligen Sergius von Radonesch anschauen. Seine Reliquien werden jedoch in der Dreifaltigkeitskathedrale aufbewahrt.  

Wofür ist Sergius von Radonesch berühmt? 

Für die Russen ist der Name Sergius von Radonesch mit der Wiedererlangung der Eigenständigkeit nach Jahrhunderten unter mongolisch-tatarischer Herrschaft und der sogenannten russischen Renaissance verbunden.

Sergius und seine Schüler gründeten neben dem Dreifaltigkeitskloster noch ein Dutzend weitere Klöster in Zentralrussland. Er gilt als der meistverehrte Heilige der Orthodoxie. Im 20. Jahrhundert erkannte ihn auch die katholische Kirche als Heiligen an.

Sergius’ weltlicher Name, bevor er sein Gelübde ablegte, war Bartholomäus. Mönch zu werden soll sein Kindheitstraum gewesen sein. Geboren wurde er in Rostow im Gebiet Jaroslawl, einer anderen bekannten Stadt des Goldenen Rings. Später zog seine Familie nach Radonesch. 

Sein dem weltlichen abgewandter spiritueller Weg, seine Askese und seine Predigten über Moral hinterließen großen Eindruck bei seinen Anhängern. Er wurde heiliggesprochen und ein „Prepodobny”, ein „Ehrwürdiger“, ernannt. Sergius von Radonesch reformierte das Klosterwesen. Die Mönche durften das Kloster nicht mehr verlassen, um zu betteln. Stattdessen betrieben sie nun Landwirtschaft, um sich selbst versorgen zu können. 

Darüber hinaus schaffte er Privateigentum der Mönche ab und stellte neue Regeln für das Leben in der Gemeinschaft auf. Die Klöster nahmen nun Pilgerer und Wanderer auf. Das führte zu einer Bindung von Volk und Land, ein damals sehr wichtiges Konzept. 

Die spirituelle Autorität von Sergius war so gewaltig, dass er als „Einiger der Rus“ gilt. Ihm gelang es, die verstreuten Fürstentümer zu vereinen, um das tatarisch-mongolische Joch abzuwerfen. Jahrzehnte lang hatte die Goldenen Horde in der Rus gewütet. Sergius Eltern hatten ihre Heimat Rostow verlassen, weil sie geplündert worden war. 

Vor einer der berühmtesten Schlachten im mittelalterlichen Russland - der Schlacht bei Kulikowo - bat Fürst Dmitri Donskoi um den Segen von Sergius, der zudem zwei seiner Bogatyr-Mönche (Krieger) für den Kampf gegen die Tataren abstellte.  

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Was gibt es in Sergijew Possad noch zu sehen? 

Das Kloster ist nicht die einzige Sehenswürdigkeit der Stadt. Es gibt ein Dutzend weitere Museen.  Das größte, das staatliche Geschichts- und Kunstmuseum Sergijew Possad, beherbergt eine große Sammlung antiker Ikonen und kirchlicher Kunstgegenstände sowie andere Exponate, die vom Leben von der russischen Antike bis zur Sowjetzeit erzählen. 

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