Wassjugan: Dieses Sumpfgebiet ist schon jetzt größer als die Schweiz!

Reise
JEKATERINA SINELSCHTSCHIKOWA
Die Ortsansässigen bezeichnen diese Moorlandschaft als „Weltwunder“ und haben daraus eine echte Touristenfalle gemacht – im wahrsten Sinne des Wortes. Passen Sie gut auf, wo Sie hintreten.

In Russland ist alles das Größte: Kanonen, GlockenStatuenFlugzeuge und natürlich auch Sümpfe. Die Wassjugan-Sumpflandschaft in Westsibirien passt in diese Kategorie der Superlative. Mit 53 000 Quadratkilometern ist sie um 20 Prozent größer als die Schweiz (und viel feuchter…).  

Wissenschaftler glauben, dass die Sumpfgebiete von Wassjugan vor etwa 10 000 Jahren entstanden sind. Davor gab es 19 einzelne kleinere Sümpfe, die nach und nach jedoch in eine große Sumpflandschaft übergegangen sind. Seitdem wächst das Gebiet. 

Nach geologischen Maßstäben weitet sich das Sumpfgebiet rasant aus. In den letzten 500 Jahren hat es sich um 75 Prozent vergrößert. Und niemand wird den Sumpf aufhalten, noch mehr Fläche zu beanspruchen. Das Gebiet ist staatlich geschützt. Ja, auch Sümpfe haben gewisse Rechte. 

Der Wassjugan-Sumpf könnte bald Unesco-Weltkulturerbe werden. Noch steht er auf der Vorschlagsliste. Doch seine Bedeutung für den Planeten ist groß. Er ist nicht nur eine riesige Süßwasserquelle mit über 800 000 einzelnen Gewässern, sondern fungiert wie ein riesiger Kühlschrank für die Erde. 

Der Torf des Moores absorbiert wie ein Schwamm giftige Substanzen und Kohlenstoffe aus der Atmosphäre, verlangsamt die globale Erwärmung und reichert die Luft mit Sauerstoff an. 

Menschen leben nicht im Wassjugan-Sumpf. Der einzig sichere Weg hindurch ist die Fahrt in einem gepanzerten Fahrzeug. Ansonsten könnte man buchstäblich stecken bleiben. Das Moor kann zur tödlichen Falle werden. Dennoch nehmen Wilderer und illegale Trophäenjäger dieses Risiko in Kauf.

Im 19. Jahrhundert suchten einige verfolgte Altgläubige hier Zuflucht. Bereits 1882 führte die Russische Geografische Gesellschaft eine Expedition durch, um herauszufinden, ob im Sumpf „religiöse Fanatiker in selbst errichteten Dörfern und auf Bauernhöfen leben“. Der Bericht bestätigte die Anwesenheit von 726 Personen, einschließlich kleiner Kinder.

Die größte Bedrohung für den Sumpf ist heute die Öl- und Gasindustrie, die die Milliarden Tonnen Torf im Blick hat. 1949 wurde im westlichen Teil des Feuchtgebietes Öl gefunden und seitdem hat die Ausbeutung ihre Spuren hinterlassen.   

Eine weitere Gefahr geht von Trägerraketen der zweiten Stufe aus, die vom Kosmodrom Baikonur starten, im Sumpfgebiet einschlagen und es durch den hochgiftigen und radioaktiven Raketentreibstoff Heptyl verunreinigen. Bereits ein Mikrogramm Heptyl auf einen Liter Wasser ist für den Menschen tödlich. 

Für die Stadt Tomsk und ihre Umgebung (die zu einem großen Teil in dem Sumpfgebiet liegt) ist das Moor ein Wahrzeichen wie der Kljutschewskoi-Vulkan für die Halbinsel Kamtschatka. Es wird sogar als „Weltwunder“ vermarktet, um Touristen anzulocken. 

Fürsorgliche Zeitgenossen, die die möglichen Gefahren erkannt haben, geben gute Ratschläge:  „Wenn Sie es nicht lassen können, dorthin zu reisen, nehmen Sie Trinkwasservorräte mit, denn das Wasser vor Ort wird Sie krank machen und verursacht Flecken auf Ihrer Haut. Zwischen Mai und August sollten Sie Unmengen Anti-Insekten-Schutzmittel mit sich führen, gegen Mücken und Hornissen. Nehmen Sie spezielle Netze mit, um sich gegen Milben zu schützen. Vergessen Sie nicht, eine Reiseapotheke mit sich zu führen, denn andere Apotheken gibt es dort weit und breit nicht. Sie können im Notfall natürlich auch einen Hubschrauber mieten, doch das kostet 100 000 Rubel (umgerechnet rund 1 430 Euro) – pro Stunde! Ich wünsche Ihnen einen schönen ‚Urlaub’. Im Winter kann die Temperatur übrigens auf bis zu -50 °C sinken…”, schreibt etwa Iris auf einer Tourismus-Webseite der Gegend, die unerschrockene Reisende zum Besuch des Wassjugan-Sumpfes einlädt. 

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