Rekordtief überwinden: Russland will Autoexport verdreifachen

Der russische Automarkt kommt nach der Talfahrt in den Jahren 2013 bis 2016 noch immer nur wenig in Fahrt. Nun will Russlands Industrie- und Handelsministerium den Autobau ankurbeln – mit einer von deutschen Unternehmen inspirierten Exportprämie. Vor allem internationale Hersteller sollen davon profitieren, ihre Produktion in Russland weiter zu lokalisieren.

Neue Hyundai Solaris aus dem Leningrader Gebiet im Nordwesten Russlands. / Mikhail Kireev/RIA NovostiNeue Hyundai Solaris aus dem Leningrader Gebiet im Nordwesten Russlands. / Mikhail Kireev/RIA Novosti

Der Autoabsatz in Russland lahmt, die Krise trifft die russischen Hersteller ebenso wie internationale Autokonzerne. Rund eineinhalb Millionen Neuzulassungen wurden 2016 in Russland registriert. Das ist weniger als die Hälfte der Zulassungen von 2012, dem bislang besten Absatzjahr. Gefallen sind nicht nur die Verkäufe im Inland, sondern auch die Ausfuhren ins Ausland – seit 2013 um 32 Prozent von 1,9 auf 1,3 Milliarden Euro.

Das russische Industrie- und Handelsministerium will nun mit einer Prämie für den Autoexport gegensteuern. Am vergangenen Donnerstag hat das Ministerium eine entsprechende Strategie veröffentlicht. Demnach sollen die Umsätze komplett fertigmontierter Autos ins Ausland bis 2025 auf bis zu sieben Milliarden Euro steigen. Zum Vergleich: 2016 fuhren russische Autoexporte 2,14 Milliarden Euro ein.

Wunsch und Wirklichkeit

Das formulierte Minimalziel des Ministeriums ist ein Wachstum des Autoexports bis 2025 um das Doppelte auf 4,4 Milliarden Euro. 240 000 Autos sollen jährlich exportiert werden, also zehn Prozent der gesamten Autoproduktion in Russland. Das ambitionierte Maximalziel der neuen Strategie, ein Anstieg des Autoexports auf sieben Milliarden Euro, würde den Export von 400 000 Autos pro Jahr voraussetzen – 16 Prozent der Gesamtproduktion. Hinzu käme noch der Export von Autokomponenten für insgesamt zwischen 1,4 und 2,2 Milliarden Euro im Jahr.

Als mögliche Zielländer sieht die neue Strategie vor allem die traditionellen Absatzmärkte russischer Autobauer vor: die ehemaligen Sowjetrepubliken, der Nahe Osten, Indien, China, Lateinamerika und Afrika – aber auch Deutschland. Internationale Autokonzerne könnten ihre Exporte vor allem in die GUS-Länder aber auch in die Türkei, den Iran, die Länder Nordafrikas und die Republik Südafrika steigern.

Etwas grundlegend Neues biete die Strategie nicht, sagt Jewgeni Jeskow, Chefredakteur eines russischen Autoportals. Eine Steigerung des Exportvolumens könnte dadurch vielleicht erreicht werden, „aber jene Absatzmengen aufzufangen, die der russische Markt verloren hat, wird dadurch kaum möglich sein“.

Die Strategie werde Autobauer in Russland über Wasser halten können, mehr aber auch nicht, glaubt auch Anna Bodrowa, Chefanalystin beim Vermögensverwalter Alpari. „An der Kaufkraft eines Durchschnittsrussen kommt man ja nicht vorbei. Hier fallen die Werte schon seit 29 Monaten. Deshalb will das Ministerium ja die überschüssige Produktion in den Export leiten“, sagt sie.

Wer profitiert?

Das Handelsministerium plant, mit internationalen Autokonzernen weitere Verträge über die Ansiedlung und Lokalisation von Autowerken in Russland mit einer Jahreskapazität von 80 bis 100 000 Autos zu schließen. Die Mindestlaufzeit der Vereinbarungen soll sieben bis zehn Jahre betragen. So könnte die Produktion von Autokomponenten im Land langfristig gesichert werden.

Einige große Marken wie Toyota, Ford, Renault und Hyundai bauen ihre Autos bereits in Russland. 45 Prozent der russischen Autoproduktion wird, monetär bemessen, von internationalen Konzernen geleistet. Ihre wichtigsten Exportmärkte sind die ehemaligen Sowjetrepubliken und der Nahe Osten.

Hyundai etwa exportiert seine Autos in die GUS-Länder, nach Georgien und Nordafrika. Nissan lieferte im vergangenen Jahr mehr als 3 000 Fahrzeuge aus Russland nach Weißrussland, Kasachstan, Aserbaidschan und in die Ukraine. Datsun, die Billigmarke des Konzerns, exportierte weitere 945 Autos nach Weißrussland, Kasachstan und in den Libanon.

Ausländer steigern Export

Und auch der deutsche Volkswagen-Konzern baut in Russland. Jüngst haben die Wolfsburger die Vereinbarung über die Vertragsfertigung seiner Wagen beim russischen Autobauer GAZ in Nischni Nowgorod verlängert. Dadurch sollen doppelt so viele VW-Autos aus Russland exportiert werden, wie die Agentur „Tass“ berichtete.

„Im letzten Jahr haben wir zehn Prozent unserer Produktion exportiert, in diesem Jahr erwarten wir ein Exportvolumen von über 20 Prozent. Was nur die Fertigung in Nischnij Nowgorod angeht: Von dort aus gehen 25 Prozent ins Ausland“, sagte Markus Osegowitsch, Generaldirektor der Volkswagen Group Rus, gegenüber der Agentur. So wird beispielsweise der Skoda Yeti aus russischer Fertigung nach Europa exportiert, andere Modelle des Konzerns werden in mehrere Länder der GUS geliefert.

Und seit Februar 2016 exportiert auch Renault Autos aus Russland nach Vietnam – und zwar die gesamte russisch gefertigte Modellreihe, bestehend aus Logan, Sandero, Sandero Stepway, Duster und Kaptur. „Der Kaptur hat ein hervorragendes Exportpotenzial. Es ist das erste Modell in Renaults Geschichte, an dessen Entwicklung russische Spezialisten beteiligt waren – vom Entwurf bis zur Serienfertigung“, ließ der französische Autokonzern verlauten.

Das Fahrzeug ist tatsächlich „Made in Russia“: Die Karosserie ist aus russischem Stahl gefertigt, Teile des Interieurs und des Antriebstrangs, auch der Motor, sind aus russischer Produktion. Der für den Weltmarkt bestimmte Kaptur rollte zudem erstmals im Moskauer Renault-Werk vom Band. Es ist also das „Mutterwerk“ dieses Modells.

Zulieferer fördern

Zudem exportiert der französische Autokonzern Ersatzteile und Autokomponenten aus Russland. 20 Prozent des Komponentenexports gehen nach Lateinamerika, weitere 20 Prozent teilen Rumänien und die Türkei unter sich auf.

Damit ausländischen Hersteller weitere Fahrzeugkomponenten bei russischen Zuliefern in Auftrag geben, hat das Ministerium vorgeschlagen, Steuersubventionen auf Exporte zu vergeben, die mit den Importzöllen verrechnet werden könnten. Dadurch sollen die Konzerne auch ihren Export aus Russland bis 2025 auf 70 000 bis im besten Fall 150 000 Fahrzeuge pro Jahr steigern.

2,15 Milliarden Euro will der russische Staat für diese Subventionen aufbringen, um das Minimalziel zu erreichen. Wird das maximale Exportvolumen erreicht, sollen 3,3 Milliarden Euro ausgeschüttet werden.

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