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Obwohl das Institut für biomedizinische Probleme der Russischen Akademie der Wissenschaften (IBMP) bereits seit 50 Jahren Weltraumisolationsexperimente durchführt, war es nun das erste Mal, dass dies mit einer gemischten Gruppe von Männern und Frauen geschah. Beim SIRIUS-Projekt setzt sich die Mannschaft aus je drei Frauen und drei Männern zusammen. Bis 2015 waren die Besatzungen rein männlich.
2015 wurde eine Mondflugsimulation, das Projekt Moon-2015, erstmals mit einem reinen Frauenteam durchgeführt. Das neuntägige Isolationsexperiment war erfolgreich und hat Schluss gemacht mit dem Vorurteil, dass es in Frauenteams zugehe wie in einer Schlangengrube.
Noch immer arbeitet die Raumfahrtindustrie daran, alte Überzeugungen loszuwerden. Und noch immer sorgt eine Frau in dieser Branche für überraschte Blicke und Verwirrung. Von Akzeptanz und Zustimmung ist man noch ein Stück entfernt. Woran liegt das? Ist es der alte Aberglaube, dass Frauen auf einem Schiff Unglück bringen? Ist es die Angst vor weiblicher Konkurrenz? Oder sind Frauen biologisch nicht in der Lage, Kosmonautinnen zu sein?
Weltraum für alle
Die kurze Geschichte der Weltraumforschung zeigt deutlich, dass Frauen genau wie Männer uneingeschränkt auf Raumstationen leben und arbeiten können. Die Untersuchungen von Dr. Varsha Jain haben gezeigt, dass die Schwerelosigkeit auch keine Auswirkungen auf die Menstruation hat. Der wissenschaftliche Fortschritt hat frühere Nachteile in Vorteile für Frauen auf dem Weg ins All verwandelt.
Jeder kennt Walentina Tereschkowa, die sechste Kosmonautin und erste Frau im Weltall. 1963 schien der Weg zu den Sternen auch Frauen offen zu stehen. Doch es dauerte 20 Jahre, bis die nächste russische Frau ins All flog. Swetlana Sawizkaja nahm gleich an zwei Missionen teil. Während der zweiten, im Jahr 1984, ging sie als erste Frau im All spazieren.
1985 sollte Sawizkaja ihre dritte Weltraummission als Kommandeurin der ersten rein weiblichen Besatzung der Welt auf einer Expedition zur Station Saljut-7 absolvieren. Es gab eine Reihe von technischen Verzögerungen und gesundheitliche Probleme beim Kommandeur der aufnehmenden Besatzung. Immer wieder wurde der Start verschoben. Zudem hatten gerade die Arbeiten am Bau der neuen Raumstation Mir begonnen. Aus dem Flug wurde schließlich nichts.
Die weibliche Besatzung bestand aus Kommandeurin Swetlana Sawizkaja, Jelena Dobrokwaschina und Jekaterina Iwanowa. Für Dobrokwaschina und Iwanowa endeten zwei Jahre des Wartens auf ihren ersten Flug ins All mit einer Enttäuschung. Wie haben sie sich gefühlt, als der Traum so kurz vor dem Ziel geplatzt ist?
Ich weiß, wie es mit Jelena Dobrokwaschina weiterging. Sie arbeitet am Institut für biomedizinische Probleme und beteiligt sich an der medizinischen Beurteilung von Astronauten und Weltraumtouristen. Sie war auch Mitglied der Kommission, die unsere Crew für das SIRIUS19-Isolationsprojekt ausgewählt hat. Es ist immer eine Freude, mit Dr. Dobrokwaschina zusammenzuarbeiten. Sie ist ein echtes Vorbild in Sachen Engagement und Optimismus.
1994 und 1997 startete mit Jelena Kondakowa die dritte russische Kosmonautin ins All. Dann gab es eine lange Pause während der nur Männer am russischen Weltraumprogramm teilnahmen. Mit Jelena Serowas Weltraumflug im Jahr 2014 kam frischer Wind zurück. Nach ihrer Rückkehr aus dem All verließ sie jedoch das Kosmonautenkorps, in dem mit Anna Kikina zurzeit nur noch eine Frau vertreten ist. Wann sie ins All startet, ist noch nicht bekannt, doch ich hoffe, dass es innerhalb der kommenden fünf Jahre soweit sein wird.
Im Ausland begann die Eroberung des Weltalls durch die Frauen in den 1980er Jahren. Nasa-Astronautin Sally Ride aus den USA war 1983 die erste. 1992 folgte mit Mae Jemison im Space-Shuttle Endeavour die erste Afroamerikanerin. Bei der Nasa werden Frauen nicht nur regelmäßig ins All geschickt, sie übernehmen auch das Kommando auf der Internationalen Raumstation ISS. Vor einigen Monaten begann die längste Weltraummission einer Frau: Christina Koch wird ein ganzes Jahr an Bord der ISS bleiben. Hoffentlich hört es bald auf, dass Kosmonautinnen im russischen Raumfahrtprogramm noch immer eine Besonderheit sind.
>>> Jelena Serowa: Die erste Kosmonautin auf der ISS
Weltraummoden
Es gab Befürchtungen, dass das SIRIUS-19-Experiment gewisse Probleme mit sich bringen könnte, da erstmals jeweils drei Männer und drei Frauen an solch einem Isolationsprojekt teilnehmen. Heute ist Tag 105 und es hat nichts mit Reality-TV gemeinsam: Es gibt keine Streitereien, keine Rivalitäten und keine Liebesaffären.
Für die kurzhaarigen Männer ist es leichter, ein paar Tage aufs Duschen zu verzichten (wir dürfen alle zehn Tage duschen). Sie reiben sich einmal mit einem feuchten Handtuch über den Kopf und sind fertig. Frauen haben bislang nur die Möglichkeit, sich entweder für einen radikalen Kurzhaarschnitt zu entscheiden oder sich eben mit den Bedingungen abzufinden.
In Zukunft werden Flüge in der Schwerelosigkeit wohl nicht mehr so lange dauern und sobald eine Mars- oder Mondstation erreicht ist, wird die Möglichkeit gegeben sein, zu duschen. Bis dahin würde ich mich ohne zu zögern für einen „G.I. Jane”-Schnitt entscheiden, wenn ich an einer echten Raumfahrtmission teilnehmen könnte. Hier auf der simulierten Isolationsstation vergisst Du schnell, dass Du eine Frau bist.
Der übliche Look ist: kein Make-up, die Haare immer zum Pferdeschanz gebunden, graue Kleidung, graue Hausschuhe, graue Socken. Meine Kollegen und ich kommen tagtäglich mit allem in Berührung, was als unangenehm empfunden wird: Blut-, Urin-, Kot- und Speichelproben der anderen. Dazu kommt regelmäßiges körperliches Training, nachdem es schwierig ist, noch angenehm zu riechen. So wird aus einem Mann oder einer Frau schnell nur noch ein Besatzungsmitglied.
Täglich stellen wir uns die Frage: „Können wir unsere Aufgaben heute zufriedenstellend bewältigen?” Dazu kommt Verantwortungsgefühl für die uns übertragenen Experimente und den Erfolg der gesamten Mission. So bleibt nur eine Wahl: Arbeiten! Gedanken an Essen und Schlaf treten in den Hintergrund. Romantik fühlt sich an wie etwas in weiter Ferne, was nur in der Erinnerung existiert oder in Filmen.
Es ist sehr einfach: In einem so feindlichen Umfeld wie dem Weltraum, in dem jeder Moment ein Risiko für das Leben und die Gesundheit des Menschen birgt, gibt es weder Männer noch Frauen, es gibt nur Fachleute auf ihrem Gebiet. Wenn die Gesellschaft dies auch so wahrnimmt, werden Frauen nicht länger als „Problemquelle“ betrachtet werden, sei es auf der Erde oder im All. In den Medien wird es keine Schlagzeilen mehr geben wie: „Launen und Versuchungen im Orbit“, „Männer haben es schwer, mit einer Frau auf einem beengten Raumschiff zu arbeiten“, „Fettiges Haar macht eine Astronautin wahnsinnig – sie will zurück zur Erde” und ähnlicher Unsinn.
Die Arbeit der Astronauten sollte als eine gemeinsame Sache für alle Menschen betrachtet werden. Der Wunsch, neues Wissen zu erlangen, fremde Gebiete zu erkunden, ganz gleich ob Kontinente oder Planeten, hat uns schließlich immer wieder den Fortschritt gebracht.