Wenn Russen Filme aus Hollywood oder Großbritannien sehen, in denen es um die russische oder sowjetische Geschichte geht, erleben sie viele Fremdschäm-Momente. Für die unsinnige, absurde und oft unwahre Darstellung durch westliche Filmemacher haben die Russen sogar ein eigenes Wort erfunden: „Kljukwifikation“ (oder Klyukvification zu Englisch) von „Kljukwa“, was wörtlich übersetzt „Preiselbeere“ bedeutet, aber umgangssprachlich für das Ausmaß der klischeehaften Beschreibung Russlands in Filmen für ausländische Zuschauer steht.
Wir bewerten für Sie amerikanische, britische und kanadische Kinofilme zur sowjetischen Geschichte. Eine Preiselbeere steht für eine realistische und sachliche Darstellung, fünf für eine hanebüchene Geschichte.
Der Film spielt in der Sowjetunion der 1950er Jahre. Der Geheimpolizist Lew Demidow sucht nach einem Wahnsinnigen, der bereits über 40 Kinder ermordet hat. Seine eigenen Vorgesetzten scheinen kein Interesse an einer Aufklärung zu haben. Lew bringt sich durch seine Ermittlungen selbst in Gefahr. Das einzig Positive an „Kind 44“ ist die Besetzung mit Tom Hardy, Gary Oldman und Noomi Rapace und deren amüsante Versuche, Englisch mit russischem Akzent zu sprechen. Ansonsten handelt es sich hierbei um keinen guten Film.
Der Höhepunkt der stalinistischen Säuberungsaktionen der Jahre 1937/38 wird in erstaunlich friedliche Nachkriegsjahre verlegt und maßlos übertrieben. Die UdSSR war zu Stalins Zeiten sicher nicht der ideale Ort, doch die Macher von „Kind 44“ porträtieren die Hölle auf Erden.
Jeder Sowjet ist, wie „Kind 44“ sagt, ein potentielles Opfer des blutrünstigen KGB, der im Film MGB heißt. In jeder Sekunde droht die Verhaftung und Hinrichtung ohne Verfahren. Im Film scheint die Welt zur einen Hälfte aus Geheimpolizei und deren Informanten und zur anderen Hälfte aus Feinden des Volkes zu bestehen.
Der Gipfel ist die absurde Begründung, warum die Kindermorde vertuscht werden sollten: „Im sozialistischen Paradies gibt es keinen Mord.“ „Kind 44“ dämonisiert die Sowjetunion in höchstem Maße und verdient sich damit fünf Preiselbeeren.
Basierend auf wahren Begebenheiten erzählt der Film die Geschichte der Gebrüder Bielski, die als Juden vor dem Holocaust fliehen und sich in den Wäldern des inzwischen von den Nazis besetzten sowjetischen Weißrusslands verstecken. Dort bauen sie eine schlagkräftige Partisanentruppe auf, die nicht nur gegen die Deutschen kämpft, sondern auch versucht, so viele jüdische Bürger wie möglich zu retten.
„Unbeugsam“ ist wahrscheinlich der glaubwürdigste Hollywood-Film über die sowjetische Geschichte. Er stellt das Leben der Bauern in Weißrussland realistisch dar. Die Waffen und Uniformen sind ebenso originalgetreu wie die Beschreibung der deutschen Soldaten, der Partisanen und der weißrussischen Kollaborateure.
Bemerkenswert ist, wie respektvoll die sowjetischen Partisanen, die mit den Bielski-Brüdern kooperieren, beschrieben werden. Die Sowjets werden nicht wie üblich als kinderfressende Dämonen gezeigt, sondern als überzeugte Patrioten, die sich mutig dem Feind entgegenstellen. Zwar trinken sie auch, mutieren dann aber nicht zu einer unberechenbaren Horde und sie bleiben nüchtern genug, um jederzeit wieder in den Kampf ziehen zu können. Einige sind Antisemiten, aber das entspricht der Wahrheit.
„Unbeugsam“ erhält eine Preiselbeere als überzeugende und wünschenswerte Darstellung sowjetischer Geschichte in einem Kinofilm.
Dieser berühmte Film ist dafür verantwortlich, dass sich die Mythen über die Rote Armee während des Zweiten Weltkrieges eingebrannt haben. „Enemy at the Gates“ erzählt vom Scharfschützen Wassili Saizew und seinen Erlebnissen während der Schlacht von Stalingrad.
Doch der Film basiert kaum auf wahren Begebenheiten. In absurder Weise und fernab der Realität stellt er die Sowjetarmee als Herde Rindviecher dar, die von dämonischen Politfunktionären geführt wird. Im Film haben die Soldaten nur ein einziges Gewehr für drei Mann und laufen den Deutschen in die Schusslinie. Von hinten feuert ihnen die eigene Nachhut in den Rücken.
So hätte die Sowjetunion den zweiten Weltkrieg sicher niemals gewonnen. Die sowjetische Kriegsmaschinerie funktionierte einwandfrei, es gab genügend Waffen. Deserteure und Saboteure wurden in Strafbataillonen verpflichtet oder kämpften in regulären Truppen, auch im Hinterland.
Selbstverständlich fehlt im Film auch nicht die Szene betrunkener Sowjetsoldaten am Lagerfeuer.
„Enemy at the Games“ hat sich fünf Preiselbeeren redlich verdient.
Basierend auf einer wahren Begebenheit erzählt „K-19“ vom Heldenmut der Besatzung eines sowjetischen Atom-U-Bootes, die durch Selbstaufopferung eine Atomkatastrophe verhindert.
Während der Vorbereitungen zum Film hatten die Macher Gelegenheit, mit überlebenden Besatzungsmitgliedern zu sprechen. Vom ersten Drehbuchentwurf waren diese geschockt. Die sowjetische Besatzung wurde als Haufen betrunkener Barbaren gezeigt, die keine Ahnung von der Steuerung eines Atom-U-Bootes haben. Empört wandten sie sich an Regisseur und Schauspieler. Mit Erfolg: das Skript wurde zu 90 Prozent geändert.
Zwar gibt es noch Momente, die naiv und absurd wirken, doch mit der endgültigen Version von „K-19“ waren die sowjetischen Veteranen einverstanden. Harrison Ford verkörpert sehr überzeugend den damaligen U-Boot-Kommandanten. Er ähnelt dem echten sogar sehr und schockierte damit die ehemaligen Besatzungsmitglieder: „Beim Anschauen musste ich mein Herzmedikament einnehmen“, erzählt der frühere Offizier Juri Muchin.
Als einer der gelungenen Versuche Hollywoods, sowjetische Geschichte zu erzählen, bekommt „K-19: Showdown in der Tiefe“ zwei Preiselbeeren.
Johan Renck/Sister Pictures, 2019
Diese neue britisch-amerikanische Fernsehserie erzählt die Geschichte der wohl bekanntesten atomaren Katastrophe. „Chernobyl“ ist ein starkes Drama, das sich auf die tragischen Schicksale der einfachen Leute konzentriert, die zunächst nicht einmal wussten, welcher Alptraum ihnen bevorstand.
Die adäquate Darstellung der Schauplätze, der Gebäude, der Abläufe und Ereignisse und kleine Details wie die originalen Feuerwehruniformen oder Pioniertücher machen die Serie zu einem Erfolg. Wir geben „Tschernobyl“ daher eine Preiselbeere.
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