Zweiter Weltkrieg: Wie die Sowjetunion ihre Museumsschätze versteckte

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In den ersten Kriegsmonaten mussten Museumsarbeiter sehr schnell Tausende von Kunstwerke verpacken und transportieren. Viele wertvolle Exponate blieben jedoch in den Museen und wurden dank des Mutes und der Sorgfalt des Museumspersonals erhalten.

1 Die Tretjakow-Galerie und das Puschkin-Museum (Moskau)

Kurz nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die UdSSR am 22. Juni 1941 packten die Mitarbeiter der Tretjakow-Galerie und des Puschkin-Museums in nur zehn Tagen die meisten wertvolleren Gegenstände aus ihren Sammlungen und schickten sie aus der Hauptstadt. Aber nicht ohne Schwierigkeiten.

Das Auspacken von Alexander Iwanows „Die Erscheinung Christi vor dem Volk“ im Jahr 1944.

Zum Beispiel ist Alexander Iwanows Leinwand „Die Erscheinung Christi vor dem Volk“ aus der Tretjakow-Sammlung war so groß, dass sie in keinen Eisenbahnwaggon passte. Der Direktor der Galerie, Alexander Samoschkin, maß selbst die Eisenbahnwaggons und versuchte mit den Eisenbahnarbeitern herauszufinden, was getan werden könnte. Am Ende wurde das 5,5 x 7,5 Meter große Gemälde aufgerollt, in eine Plane gewickelt und auf zwei offenen Eisenbahnwagons transportiert.

Iwan der Schreckliche und sein Sohn Iwan von Ilja Repin

Eines Nachts Mitte Juli fuhr ein Sonderzug, bestehend aus 17 Waggons, heimlich von Moskau nach Nowosibirsk. Dort wurden im unvollendeten Gebäude des Opernhauses Exponate aus der Tretjakow-Galerie, dem Puschkin-Museum und mehreren anderen Moskauer Museen aufbewahrt. Ein Teil der Sammlung des Puschkin-Museums wurde auch in die Stadt Solikamsk im Perm-Gebiet gebracht.

Eine Kopie von Michelangelos David im Puschkin-Museum

Die Evakuierung von Exponaten aus Moskauer Museen dauerte ein weiteres Jahr. 1942 wurde das Gebäude der Tretjakow-Galerie bei einem Luftangriff beschädigt: Augenzeugen erinnerten sich daran, wie Schnee und Wind durch die leeren Hallen wehten. Viele Museumsmitarbeiter wurden evakuiert oder gingen an die Front. Aber es gab auch diejenigen, die in Moskau blieben, sich um die Gemälde-Rahmen kümmerten und auf die Rückgabe der Sammlungen warteten.

Das Puschkin-Museum

Das Gebäude des Puschkin-Museums litt ebenfalls: Im Oktober 1941 zerstörte eine Druckwelle das riesige Glasdach und einige Fenster. Neben Schäden an den Innenräumen mehrerer Hallen waren auch die berühmten Abgüsse von Skulpturen in voller Größe, die nicht entfernt werden konnten, beschädigt.

Die Tretjakow-Galerie wurde nur eine Woche nach der Kapitulation Deutschlands wiedereröffnet. Das Puschkin-Museum öffnete seine Pforten im Oktober 1946.

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2 Das Historische Museum und die Kreml-Museen (Moskau)

Das Historische Museum auf dem Roten Platz konnte ebenso wie der Kreml leicht von feindlichen Bomben angegriffen werden. Deshalb mussten die verschiedenen Exponate, vom Schwert des Militärführers Alexander Suworow und des goldenen Tintenfasses des Dichters Alexander Puschkin bis zum Umhang von Iwan des Schrecklichen und Katharina der Großen, so schnell wie möglich evakuiert werden.

Die Mitarbeiter des Historischen Museums freuen sich, die Sammlung wieder zu sehen.

Ende Juli 1941 wurden über 900 Kisten mit Schätzen auf einem offenen Lastkahn entlang der Wolga in die kleine Stadt Chwalinsk transportiert. Im nahe gelegenen Stalingrad wurde gekämpft, und die Kisten schickten man per Bahn nach Kustanai (heutiges Kasachstan).

Das Museum blieb jedoch während der Kriegsjahre geöffnet. Die Mitarbeiter hatten Kopien einiger der wertvollsten Exponate angefertigt, damit die Besucher etwas zu sehen bekamen.

Die Originale kehrten 1944 ins Museum zurück. Es gibt Fotos, die den Moment festhalten, als begeisterte Museumsmitarbeiter sie wieder begrüßten.

Schätze aus den Museen des Moskauer Kremls sollten zunächst im Kreml versteckt werden: in seinen Türmen und in den Krypten der Kathedralen. Die Deutschen näherten sich der Stadt jedoch sehr schnell und der Kremlkommandant Nikolai Spiridonow beschloss, die Schätze zu evakuieren. Rund 75 Prozent der Exponate aus der Rüstkammer gingen nach Swerdlowsk (heutiges Jekaterinburg), wo sie im NKWD-Gebäude aufbewahrt wurden. In der Rüstkammer blieben nur die königlichen Kutschen. Ebenso blieben die meisten Ikonen in den Kreml-Kathedralen. Der Kreml selbst war der deutschen Luftwaffe praktisch „verborgen“: Seine goldenen Kuppeln waren dunkel gestrichen, die roten Sterne in dunkles Tuch gewickelt und die Zarenglocke mit Holzbrettern bedeckt.

Die Kreml-Museen wurden noch vor Kriegsende wieder eröffnet. Im April 1945 waren seine ersten Besucher Soldaten der Kreml-Garnison, die bei der Evakuierung von Exponaten geholfen und diese dann an ihre ursprünglichen Plätze wieder hingestellt hatten.

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3 Die Ermitage (St. Petersburg)

Die Museen in Leningrad erlitten ein härteres Schicksal. Mitarbeiter und Freiwillige verbrachten Tag und Nacht in den Hallen der Eremitage, um so viele Exponate wie möglich zu verpacken. Die erste Partie wurde ziemlich schnell ins Hinterland geschickt: Etwa eine Million wertvolle Gegenstände wurden nach Swerdlowsk (heute Jekaterinburg) im Ural gebracht.

Kutschengarage der Eremitage durch eine Bombe beschädigt.

Am 8. September 1941 begann die Belagerung von Leningrad, und ein Zug, der weitere Meisterwerke der Eremitage aus der Stadt bringen sollte, konnte nicht abfahren. Die Gegenstände wurden ins Museum zurückgebracht und in den Kellern und im Erdgeschoss aufbewahrt.

Die Jupiter-Halle

Der Direktor der Eremitage, Joseph Orbeli, und seine Mitarbeiter riskierten ihr Leben, um das Gebäude und die verbliebenden Schätze zu schützen. Die Keller der Eremitage wurden in einen Luftschutzbunker verwandelt und mehrere Angestellte mit ihren Familien zogen dorthin. Sie waren Tag und Nacht im Dienst, fingen Brandbomben ab, löschten Feuer und kämpften während der schrecklichen Monate und Jahre der Belagerung die ganze Zeit um ihr eigenes Leben.

Die Wappenhalle, 1942

Sogar während der Belagerung veranstaltete die Eremitage jedoch einige Führungen und Gedichtsabende. Unter den zahlreichen Gemälden und anderen Schätzen in der Sammlung des Museums, die während des Krieges evakuiert wurden, ging übrigens nur eines verloren: das Gemälde “Der Heilige Sebastian” von Anthony van Dyck, welches noch nicht gefunden wurde.

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4 Das Russische Museum (St. Petersburg)

Das Museum verfügt über die größte Sammlung russischer Kunst, und allein die Anzahl der Gemälde, die für Evakuierung vorbereitet werden mussten, betrug über 7.500. Dazu gehörten mehr als 60 monumentale Leinwände mit einer Länge von mehr als vier Metern. „Es brauchte mehrere Dutzend Menschen, um so große Leinwände wie Karl Brjullows ‚Der letzte Tag von Pompeji' von den Wänden zu entfernen“, erinnerte sich der damalige Direktor des Museums, Peter Baltun.

Das Russische Museum

Riesige Leinwände mit einer Größe zwischen 20 und 60 Quadratmetern mussten aus den Rahmen entfernt und vorsichtig, ohne eine einzige Falte und ohne die geringste Beschädigung der Farbschichten, auf spezielle Schäfte gerollt werden. Einige Schäfte waren bis zu zehn Meter lang und hatten einen Durchmesser zwischen 60 und 120 Zentimetern.

Das Russische Museum

Der erste Teil der Kunstwerke wurde nach Gorki (heutiges Nischni Nowgorod) und der zweite nach Perm evakuiert.

5 Peterhof (St. Petersburg)

Das Schicksal dieses prächtigen Palastes und seiner Exponate war vielleicht das tragischste. Rund 14.000 Kunstgegenstände wurden nach Nowosibirsk und in die Stadt Sarapul in Udmurtien evakuiert. Aber nur ein Teil der zahlreichen Skulpturen aus den Parks des Palastes wurde auf dem Güterbahnhof des Moskauer Bahnhofs in Leningrad und in der Isaakskathedrale versteckt. Die Kirche selbst wurde übrigens nicht durch Bombenangriffe beschädigt, weil sie als Orientierungspunkt für die deutsche Luftwaffe diente.

Soldaten der Roten Armee mit Gemälden, die 1945 von den Deutschen aus dem Palast Peterhof gestohlen wurden.

Nachdem alle wertvollen Gegenstände ins Hinterland geschickt worden waren, versuchten die Mitarbeiter des Museums, die Überreste zu verbergen. Sie gruben die restlichen Skulpturen in Holzkisten direkt im Park ein und versteckten Bronzestatuen im Tunnel des Brunnens “Die Große Kaskade”.

Skulpturen begraben im Unterpark von Peterhof, 1944

Die Mitarbeiter versuchten auch, die Paläste vor Bombenangriffen zu schützen, indem sie die Fenster und Wandpaneele in den Hallen verklebten und die Parkettböden mit Sand bedeckten.

Ein deutscher Soldat posiert vor dem Großen Palast in Peterhof, 1943

Peterhof wurde nicht nur bombardiert, sondern zum Schlachtfeld. Die Brunnen und der Große Palast, der oft als russisches Versailles bezeichnet wird, wurde fast zerstört. Die meisten Bäume im Park verbrannten. Mehr als 16.000 wertvolle Kunstgegenstände gingen für immer verloren.

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