Von Moskau bis Wladiwostok: Zehn Jugendstil-Meisterwerke in Russland

Kultur
IRINA OSIPOWA
Auch in Russland finden sich ganz beeindruckende Bauwerke der Jugendstil-Epoche. WIr stellen Ihnen die herausragendsten Bauten im ganzen Land vor.

Denkt man an russische Architektur, dann fallen einem sicher Holzhäuser, Zwiebelturmkirchen und der sowjetische Konstruktivismus ein. Aber auch der verspielte Jugendstil ist in Russland vertreten: Hier heißt er "Modern" und seine Bauwerke können mit ihren Wiener und Pariser Kollegen durchaus mithalten.

1. Liwtschak-Villa in Uljanowsk

Der russische Architekt Fjodor Liwtschak baute diese schicke Villa im Jahr 1914 für seine eigene Familie. Er erlaubte sich dabei bewusst einen freien Fluss der Inspiration, entwarf alles bis zum kleinsten Detail selbst – sogar Kleinigkeiten des Interieurs und die Möbel.

Liwtschak kombinierte hier typische Elemente des europäischen Jugendstils wie pferdhohe, geschwungene Fenster und Keramikwandbänder mit traditionellen russischen, z.B. ein Fries eines stilisierten Feuervogels aus den russischen Märchen.

Gleichzeitig probierte Liwtschak aber auch eigene Erfindungen aus, beispielsweise seine feuerfesten Hohlsteine aus Beton. Er konstruierte außerdem eine Maschine zur Herstellung dieser Bausteine sowie ein System zu ihrer Verlegung. Einst versuchten die USA, ihm das Patent für diese Bauweise abzukaufen. Er lehnte das ab.

Nach einer umfassenden Renovierung im Jahr 2014 eröffnete ein Museum über den Architekten Liwtschak in dem einstigen Wohnhaus.

2. Rjabuschinskij-Villa in Moskau

Eines der ausgefallensten Jugenstil-Gebäude in Moskau ist die Stadtvilla des Bänkers und Gründers der ersten russischen Autofabrik, Stepan Rjabuschinskij. Das Haus entstand in den Jahren 1900 bis 1902 nach Plänen des damals bedeutendsten Architekten und Russen mit deutschen Wurzeln, Fjodor Schechtel.

Die Rjabuschinskij-Villa hat keine Hauptfassade. Jede Seite ist unterschiedlich gestaltet worden und mit ihren Eingängen, Balkons, Fenstern, unregelmäßigen Formen und Ornamenten eine Schönheit für sich. Wie seine europäischen Jugendstil-Kollegen ließ sich Schechtel von der Natur inspirieren.

Eine Außenwand ziert ein Schwertlilienfries, die Decken in den Innenräumen sind mit Schlangen und Blumenmustern verziert. Das wichtigste Highlight der Innenräume jedoch ist die weit geschwungene Treppe, deren Steingeländer aus estnischem Marmor die Wellenform imitiert.

3. Metropol-Hotel in Moskau

Das Hotel Metropol ist eine der Hauptattraktionen der russischen Hauptstadt. Es ist ein bekanntes Fünf-Sterne-Hotel, in dem sowohl bekannte Künstler und Politiker als auch Mitglieder von Königsfamilien zu verschiendenen Zeiten wohnten.

In seiner über hundertjährigen Geschichte stand das Metropol stets im Mittelpunkt der Ereignisse. Die Innenausstattung, aus dem 19. Jahrhundert erhalten, gestattet den Hotelbesuchern, diese Geschichte sowie die Geschichte und Kultur Russland als Ganzes besser zu fühlen und zu verstehen. Heute sieht das Hotel Metropol wie ein prachtvolles Erzeugnis des Jugendstils aus. Oft wird der Bau auch als „Manifest eines neuen Stils“ bezeichnet. Der erste Bauherr Sawwa Mamontow ging bankrott, kurz nachdem er mit dem Bau begonnen hatte. Hauptarchitekt war Lew Kukuschew. Unter der beeindruckenden Glas-Metall-Kuppel befindet sich der Frühstücksraum.

Es ist eines der besten Hotels der Welt, was von seinen berühmten Gästen wie beispielweise Arnold Schwarzenegger, Sharon Stone oder Michael Jackson bestätigt wird.

4. Singer-Firmensitz in St. Petersburg

Die amerikanische Nähmaschinenfirma Singer ließ dieses heutige Wahrzeichen des Newski-Prospekts in Sankt Petersburg 1902 bis 1904 erbauen, der etwas an die ersten Wolkenkratzer New Yorks erinnert. Architekt war der russische Baumeister Pawel Susowr.

Auf elf Etagen befanden sich hier vor allem Büros des Unternehmens Singer, das Haus mit dem berühmten Globus auf dem obersten Erker gilt als erstes Businesscenter Russlands. Heute hat hier das russische soziale Netzwerk VKontakte seinen Sitz.

5. Moltschanow-und-Sawina-Villa in St. Petersburg

Dieses Haus entstand zwischen 1905 und 1907 für die berühmte Schauspielerin Maria Sawina vom Zarentheater und ihren Ehemann Antolij Moltschanow. Der Beruf der Hausherrin sollte sich dann auch in der Gestaltung des Hauses wiederspiegeln. Es gab einen extra Raum für die Lagerung der Theaterkostüme,  ein zusätzliches Schminkzimmer sowie zahlreiche literarische Zitate im Eingangsbereich.

Der Architekt Michail Geissler baute eigentlich im Neoklassizismus, war jedoch kurz zuvor dem damals sehr angesagten Jugendstil verfallen. Die Wände gestaltete er mit viel Freiraum, keines der Fenster gleicht einem anderen. Die Blumenmotive scheint er gerade der Wiener Sezession entlehnt zu haben.

6. Forostowskij-Villa in St. Petersburg

Diese Stadtvilla für den Kaufmann Pawel Forostowskij entwarf der ebenfalls deutschstämmige Architekt Carl Schmidt. Neben den üblichen Wohnräumen integrierte er auch Lager- und Verkaufsräume in den Bauplan. Er setzte den Grundstein für die sogenannte Ziegelmoderne und verband einerseits pragmatische, andererseits ästhetische Ansprüche der Jahrhundertwende mit der günstigen und schnell zu bewerkstelligenden Ziegelsteinbauweise. Bei der Dekoration orientierte er sich dabei an der französischen und belgischen Art-Nouveau-Strömung.

7. Rukawischnikow-Kontorengebäude in Nischni Nowgorod

Die Fassaden dieser zwei riesigen benachbarten Unternehmensgebäude ließ Sergej Rukawischnikow bauen, der damals die Wirtschaft Nischni Nowgorods stark prägte. Für den Bau lud er sich Fjodor Schechtel (siehe Rjabuschinski-Villa) ein.

Beide Gebäude entstanden 1908 und gehören vorrangig zum sogenannten „rationalen“ Jugendstil in Russland, der oft speziell für neue Firmen- und Industriebauten angewandt wurde. Die Ziegelbauweise erinnert dabei oft an die preußische Gotik. Die verspielteren Muster jedoch erinnern wieder an den Jugendstil.

8. Hotel Zentral in Krasnodar

Das auffällige Zentral-Hotel im Zentrum der Kosakenstadt Krasnodar gehörte seit Mitte des 19. Jahrhunderts dem wohlhabenden Kaufmannsbrüdern Bogarsukow. Nach einem schweren Brand 1910 musste das Gebäude dann neu restauriert werden. Diese Aufgabe übernahm der Architekt Alexander Koslow, ein von Schechtels Moskauer Assistenten.

The Central Hotel, which stood on this site since the middle of the 19th century, was regarded as one of the best in the city and was owned by the Bogarsukov brothers, who were wealthy merchants. The ground floor of the two-story building was given over to shops, while the hotel bedrooms were on the first floor.

9. Fernbahnhof Wladiwostok

Als der Bau der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Wladiwostoksich 1910 langsam dem Abschluss näherte, entschied man sich für einen ebenso beeindruckenden Endbahnhof im Fernen Osten wie der Startbahnhof Jaroslawler Bahnhof, das berühmteste Werk Fjodor Schechtels in Russland) in Moskau.

Weite Bögen, kleine Erker und trapezförmige Dächer verraten den typischen Neo-Russischen Stil, eine besonders russische Version des hiesigen Jugendstils, der auf viele Elemente der traditionellen altrussischen Gestaltungsmuster zurückgreift.

10. Scharonow-Villa in Taganrog

Und auch dies ist ein Meisterwerk der Schechtel’schen Schule: Die Villa wurde 1912 von dem örtlichen Grundbesitzer Jewgenij Scharonow für seine Tochter Maria gebaut. Es kombiniert verschiedene Kunststile, die alle Anfang des 20. Jahrhunderts populär waren. Dazu gehören Elemente des Pseudo-Russischen Stils als auch Szenen aus verschiedenen Märchen.