Wenn Sie glauben, das russische Theater beginne mit Anton Tschechow, so irren Sie sich. Im 18. Jahrhundert erschienen in Russland die ersten Stücke für die Theaterbühne. Eines der berühmtesten (und lustigsten) Dramen dieser Zeit ist Denis Fonwisins „Der Landjunker“ über den Sohn einer Gutsbesitzerin, der nicht einmal seine Schnürsenkel selbst binden kann.
Für eine Art Revolution im russischen Drama sorgte der Diplomat Alexander Gribojedow. Sein Stück „Verstand schafft Leiden“ (1822-24) brachte in die alten Stücke mit ihren Alltagsproblemen das Element der politischen Satire und sprach mit dem Publikum eine lebendigere Sprache.
Leider haben Fonwisin und Gribojedow der Nachwelt lediglich diese beiden großen Stücke hinterlassen, aber die nächsten Generationen waren wesentlich produktiver - viele ihrer Werke werden heutzutage immer noch auf die Bühnen gebracht. Hier sind die wichtigsten.
Alexander Puschkin
Seine Stücke waren in Versen geschrieben und ursprünglich nicht für das Theater gedacht - für den Dichter war es ein Spiel mit dem Text, die Möglichkeit, Fragen aus der ersten Person heraus zu formulieren und die Stimme des Autors zu verbergen.
Viele Musiktheater in Russland und auf der ganzen Welt inszenierten die Oper „Boris Godunow“ von Modest Musorgski, die auf der Tragödie von Puschkin basiert, die dieser 1825 geschrieben hatte.
Es ist ein großes Stück über die Zeit der Wirren - über die Krönung des Zaren Boris Godunow, über die Ermordung des letzten Sohnes von Iwan dem Schrecklichen, dem Zarewitsch Dmitri, und über die Strafe, mit der der Mord gesühnt wurde.
Übrigens ist vor allem Dank Puschkins plastischer Beschreibung der Öffentlichkeit das Thema „Boris Godunow“ so gut vertraut, obwohl die Historiker mit dem Dramatiker nicht ganz einverstanden sind.
Nikolai Gogol
Der Autor der „Toten Seelen“ war einer der ersten russischen Satiriker, die die Manieren russischer Gutsherren, Beamter und Diener rücksichtslos kritisierten. Aber vor allem prangerte er Dummheit, Heuchelei und Lügen an.
Der Klassiker des russischen Theaters ist den meisten durch zwei Komödien bekannt: „Der Revisor“ und „Die Heirat“.
Aber während man bei Tschechows „Komödien“ nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll, können Gogols Helden getrost ausgelacht werden - er macht sich über das Katzbuckeln vor der Obrigkeit und die Brautwerbung von Adligen lustig.
Übrigens sind die „Toten Seelen“ auch heute noch ein Publikumsrenner und werden nicht nur in Russland aktiv inszeniert.
Alexander Ostrowski
Ostrowski ist ausländischen Lesern und dem Theater wenig bekannt, aber seine Stücke sind ein fester Bestandteil des Schullehrplans in Russland. Sie zeigen das Leben der typisch russischen Provinz - der Händler und der Spießbürger.
„Gewitter“ und „Mädchen ohne Mitgift“ sind zwei Tragödien, die Sie zu Tränen rühren werden. Übrigens war Ostrowski möglicherweise der erste Kämpfer für die Frauenrechte in Russland - beide Stücke sind voller Mitgefühl für das nicht leichte Schicksal der Frauen.
In „Gewitter“ heiratet die Heldin einen ungeliebten Mann und muss unter ihrer Schwiegermutter leiden. Und in „Mädchen ohne Mitgift“ kann Larissa den geliebten Menschen nicht heiraten, weil sie keine Mitgift hat. Trotz der Verachtung der Gesellschaft liebt sie ihn aufrecht. (Schauen Sie sich den Film „Eine bittere Romanze“ von Eldar Rjasanow an, der nach Motiven dieses Dramas gedreht wurde).
Anton Tschechow
Tschechow hat nicht nur eine Vielzahl brillanter Kurzgeschichten geschrieben, sondern die „russische Seele“ auch in seinen Stücken anschaulich dargestellt.
Die berühmtesten Werke des Dramatikers sind „Drei Schwestern“, „Die Möwe“ und „Der Kirschgarten“. In allen drei Stücken geht es um den Tod des alten Russlands, die Krise des Adels, dem Verlangen nach Veränderung.
Alle Stücke wurden von Konstantin Stanislawski in dessen legendärem Moskauer Kunsttheater aufgeführt und hatten großen Erfolg. Tschechow schrieb seinen „Kirschgarten“ ein Jahr vor seinem Tod und es heißt, er habe darin die erste russische Revolution von 1905 vorausgesehen.
Maxim Gorki
In der Sowjetzeit galt Gorki als der Schriftsteller Nr. 1. Sein Stück „Nachtasyl“ über die Bewohner eines Obdachlosenheims sorgte 1902 für Furore.
Der proletarische Schriftsteller erfand eine völlig neue Sprache für die Bühne und sorgte damit für eine Revolution im Theater. Er lässt die oberflächlichen Probleme des Adels beiseite und widmet sich den einfachen Menschen und deren Überlebensproblemen, von denen die gehobene Gesellschaft wohl nicht einmal etwas ahnt.
Für seinen Erfolg wurde Gorki selbst von Leo Tolstoi beneidet. Dieser konnte mit der neuen proletarischen Kunst nichts anfangen und verstand nicht, warum man überhaupt über die Probleme der Obdachlosen und Bettler schreiben sollte.