Darauf, dass wir uns versammelt haben!
Für Russen findet sich immer ein Anlass, auf etwas anzustoßen. Einige Bars haben sogar Kalender, die jedem Tag ein besonderes Ereignis zugewiesen haben, das es wert ist, darauf zu trinken, sei es der „Tag der Schlosser“, die Kupala-Nacht der Slawen oder der Tag zum Gedenken an den ersten Menschen im All, Juri Gagarin.
Meist jedoch versammeln sich die Menschen zu einer feuchtfröhlichen Feier anlässlich von Geburtstagen und anderen Familienfesten oder zu offiziellen Gedenktagen (hier sind die wichtigsten russischen Feiertage aufgelistet).
Bei einem Geburtstag wird das erste Glas zu Ehren des Geburtstagskindes geleert, bei einer Hochzeit zu Ehren des Brautpaares. Üblicherweise ist es der engste Freund, der das Glas erhebt und einen Toast ausspricht.
Man wünscht alles Gute, erinnert daran, wie man sich kennengelernt hat oder an andere lustige gemeinsame Erlebnisse. Man betont, wie großartig der Freund sei und hebt noch einmal seine herausragenden Eigenschaften hervor. Man erklärt, dass der Freund einen großen Einfluss gehabt und immer viel Freude gebracht hat (selbst, wenn es nicht wahr ist).
Auf die Eltern und die Gesundheit!
Ein russisches Sprichwort sagt, dass auf das erste Glas rasch das zweite folgen sollte. Seien sie also vorbereitet, weiter zu trinken. Das zweite Glas geht auf die noch lebenden Eltern oder Großeltern.
Die Russen wünschen ihnen ein langes Leben und Gesundheit und danken ihnen für alles, was sie für ihre Kinder getan haben und für die Tatsache, dass sie noch am Leben sind und mit ihnen zusammen sind (auch wenn sie abwesend sind).
Verstorbener Eltern wird mit einem eigenen Trinkspruch gedacht. Es wird getrunken, ohne anzustoßen. Bei Beerdigungen wird, ebenso wie bei Geburtstagen, auf Gläserklirren verzichtet, aber es wird auch dort viel gelobt. Nach einigen Gläsern werden lustige Geschichten über den Verstorbenen erzählt.
Übrigens sagen Russen nicht „Na sdorowje“! Sie sagen „Sa sdorowje“, was „Auf die Gesundheit“ bedeutet und ein Trinkspruch ist (lesen Sie hier, was die Russen außerdem anstatt „Zum Wohl“ sagen).
Auf die Liebe und auf die Frauen!
Der dritte Toast ist Ehrensache für alle Männer. Sie stehen dazu auf und drücken so ihren Respekt vor den Frauen und ihre Liebe aus. Wenn keine Frauen anwesend sind, wird dennoch auf sie getrunken, denn „ohne Frauen könnten wir nichts erreichen und wären nicht die, die wir sind“.
Frauen sollten ihr Glas ganz leeren, so ist es Brauch. Auf diese Weise erweisen Sie wiederum den Männern Respekt, die sich erhoben haben, um auf sie zu trinken.
Das dritte Glas wird auch häufig von einem dreifachen „Hurra“ begleitet. So tranken früher die Offiziere. „Hurra“ war ein Schlachtruf. Nun gibt es in Russland so etwas wie einen „ehemaligen Soldaten“ nicht. Fast jede Familie hat Verbindungen zum Militär, daher wird die Tradition noch immer gepflegt.
Auf die Männer!
„Während all der Jahrhunderte in Russland gebührt das vierte Glas dem Manne!“ heißt es in Russland und ist die Antwort der Frauen auf den Toast der Männer. Normalerweise freuen sich Frauen sehr über diese Art männlicher Aufmerksamkeit.
Dieser Trinkspruch wird besonders häufig am 23. Februar, dem Tag der Verteidiger des Vaterlandes, und am 8. März, dem Internationalen Frauentag, gesagt. Feminismus und Gleichberechtigung treten hinter den langjährigen Traditionen in diesem Falle zurück. In Russland gibt es zudem nur sehr wenige Frauen, die sich nicht über Blumen oder einen Trinkspruch zu ihren Ehren freuen würden. Und ohnehin sieht man nach dem vierten Glas schon alles recht entspannt.
Auf die Freundschaft!
Ab dem fünften Trinkspruch wird auf alles und jeden getrunken, ganz nach Belieben. Auf einem Geburtstag spricht jeder nacheinander einen Toast auf den Jubilar aus. Man sollte sehr aufmerksam zuhören und sich schon einmal etwas zurechtlegen. Es gehört sich übrigens nicht, etwas bereits Gesagtes zu wiederholen.
Aber wenn der Anlass des Gelages nicht so feierlich ist, gibt es viele Möglichkeiten für den fünften Trinkspruch. „Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen, also lass uns auf unser Treffen trinken“ oder „Wir treffen uns so oft, lass uns auf unsere enge Freundschaft trinken“ oder „Lass uns trinken, weil wir toll sind, egal wie oft wir uns treffen“. Russen trinken immer mit Freunden. Es ist ein Ausdruck tiefer Verbundenheit, miteinander zu trinken oder sich gar zu betrinken. Es geht nicht nur darum, zusammen Spaß zu haben, es entstehen auch tiefsinnige Gespräche, es wird über Probleme und auch über Politik diskutiert …
Wenn ein Russe aber mit einem Fremden trinkt (auf einer langen Nachtzugfahrt oder in einer Bar) oder in Gesellschaft von jemandem, den er nicht mag … Ach was, beim fünften Glas sind alle Freunde und darauf wird getrunken… Ein dreifaches Hurra!
Und zum Schluss noch ein Gläschen
Nach mehreren Trinksprüchen und gutem Essen zwischendurch, wenn das Dessert bereits verspeist wurde und es dazu einen Espresso oder Tee gab, wenn alle in Aufbruchstimmung sind, dann gibt es noch ein letztes Glas. „Na pososchok!“, bedeutet nichts besonders Tiefsinniges. Es ist nur ein Abschiedstrunk und Tradition. Vielleicht pflegen wir diese, weil wir glauben, dass es hilft, sicher nach Hause zu kommen.
Es gibt noch einen weiteren, besonderen Trinkspruch. Mit „Schtrafnaja“ bittet man als Zuspätkommender bei einer Feier die Gastgeber und anderen Gäste um Vergebung und versucht, schnell den Pegelstand der anderen zu erreichen.