Personnel of Rosneft oil giant during the launch of drilling of the Tsentralno-Olginskaya 1 well, the northernmost well on the Russian Arctic shelf. The work is conducted under the offshore area of the Laptev Sea at the Khatangsky license area.
RIA NovostiRosneft-Ölförderstation Zentralno-Olginskaja 1im nordischen Laptew-Meer. / RIA Novosti
Das russische Erdölunternehmen Rosneft hat in der Ostarktis ein erste Erdöllagerstätte entdeckt. Diese könnte sich als die größte in der Region erweisen: Nach Einschätzungen von Analysten könnte das Vorkommen bis 2050 rund 20 bis 30 Prozent des gesamten russischen Erdölbedarfs decken.
Das Unternehmen setzt darum große Hoffnungen auf die Entdeckung: „Es ist offensichtlich, dass das ein Glückstreffer war, dem allerdings kolossale Anstrengungen der Geologen und Bohrtechniker vorausgegangen sind“, kommentierte Michail Leontjew von Rosneft.
Das Tempo der Erschließungsarbeiten im Schelf ist tatsächlich beeindruckend: Das Unternehmen begann im April mit den Bohrungen, unmittelbar nach der Live-TV-Fragestunde des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der damals versprach, die Arbeiten würden „eine ganze Erdöl- und Erdgasprovinz erschaffen, die selbst nach vorläufigen Angaben Millionen Tonnen Rohöl enthält“.
Wie der Radiosender KommersantFM nun berichtet, soll die Förderung spätestens 2021, also bereits in vier Jahren, aufgenommen werden. Eine unbekannte Variable ist jedoch – wie immer – das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Auf dem Erdölmarkt ist eine langfristige Tendenz sinkender Erdölpreise zu verzeichnen. Wie der arktische „Glücksfall“ zu dieser Entwicklung passt, ist noch unklar.
Die Entdeckung der Lagerstätte erfolgte im Rahmen von Bohrungen im äußersten Norden des russischen Festlandsockels in der Arktis. Das als „Zentralno-Olginskaja-1“ bekannte Feld liegt im Chatangagolf in der Laptewsee. Es wird wohl nur die erste und nicht die letzte Entdeckung des Konzerns im Nordpolargebiet gewesen sein: Insgesamt verfügt Rosneft über 28 sogenannte Claims im Schelf, rund 80 Prozent aller Claims russischer Unternehmen. Das darin gelagerte Gesamtvorkommen wird auf 34 Milliarden Tonnen Öleinheiten geschätzt.
Um die Ressourcen in diesem Abschnitt des Schelfs wurde ein erbitterter Kampf geführt, ungeachtet der Tatsache, dass die Kosten für eine geologische Erkundung mit einer einzigen Bohrung vor drei Jahren noch auf 200 Millionen US-Dollar geschätzt wurden. In der Region gibt es keinerlei Infrastruktur und sie ist höchstens zwei Monate im Jahr schiffbar. Trotz der Sanktionen des Westens will Rosneft zusammen mit seinen Partnern in den nächsten fünf Jahren rund 8,4 Milliarden US-Dollar in die Erschließung investieren.Das in der Region geförderte Erdöl wird deshalb teuer werden, glaubt der Chefökonom der Beratungsfirma PF Capital, Jewgenij Nadorschin: „All diese Projekte im Nordpolargebiet (neben Rosneft sind dort auch einige andere Unternehmen wie zum Beispiel Surgutneftegas aktiv - Anm. d. Red.) können gegenwärtig nicht als rentabel bezeichnet werden. Es gibt dort zweifelsohne ein hohes Potential, aber dieses Potential befindet sich weit hinter dem Prognosehorizont.“
Der globale Erdölpreis ist aus verschiedenen Gründen derzeit so niedrig: Eine Rolle spielen die riesigen Ressourcen in den USA und deren zunehmende Förderung sowie die gesteigerte Produktion in Libyen, die durch keinerlei Verpflichtungen wie zum Beispiel im Rahmen der OPEC eingeschränkt ist.
Der Erdölpreis fällt nun schon die vierte Woche in Folge, und die Arbeiten im arktischen Schelf werden es wohl kaum vermögen, den krisengeschüttelten Markt wieder auf gesunde Beine zu stellen – weder jetzt noch zu Beginn der Förderung. Dem stimmt auch Wladimir Bragin, Direktor für Analyse der Finanzmärkte und Makroökonomie bei der Kapitalverwaltungsgesellschaft Alpha Capital, zu: „Prinzipiell hat dies gegenwärtig keinerlei Einfluss auf den Preis, da wir auch an anderen Orten fördern, und das deutlich preiswerter. Die Frage ist eine andere: Was wird der Transport, die Extraktion, die Lagerung und anderes mehr kosten? Unterm Strich müssen die Preise sehr hoch sein, um solch schwer zugängliches Erdöl zu fördern. Und damit die Preise steigen, dürfen die alternativen Lagerstätten die vorhandene Nachfrage nicht decken“, glaubt der Analyst.
Aber zurzeit ist der Weltmarkt gesättigt. Andrej Kotschetkow, Analyst des Unternehmens Otkrytije Broker, sieht zudem ein weiteres Problem: Die Bedingungen für die notwendige Finanzierung zur Erschließung dieser Lagerstätte seien momentan nicht die günstigsten. Bei den niedrigen Weltmarktpreisen sei die Schuldenlast von Rosneft entsprechend groß, und die Beschränkungen für eine Finanzierung von außen bestehen noch immer. „Diese Lagerstätte wird in recht ferner Zukunft gelegen kommen, wenn die Nachfrage das Angebot zu übertreffen beginnt“, sagt der Experte.Auch die mittlerweile verlängerte Vereinbarung mit der OPEC zur Drosselung der Förderung darf nicht außer Acht gelassen werden – obwohl es gegenwärtig nicht danach aussehe, dass diese Vereinbarung eingehalten würde, so Nadorschin weiter. Bereits nach der ersten Vereinbarung, die im vergangenen Jahr abgeschlossen wurde, sprachen Vertreter der Branche von einer „Anpassung der Fördermengen". So nennt man es, wenn Unternehmen die Förder- und Exportkennzahlen manipulieren. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass im zweiten Halbjahr noch mehr Fragen als nach der ersten Vereinbarung auftauchen werden. „Mir scheint zudem, dass das Verlangen der OPEC, die Vereinbarung einzuhalten, im zweiten Halbjahr nachlassen wird. Deshalb wird möglicherweise das Ausmaß der Überschreitung der Vereinbarung jene Menge um ein Vielfaches übersteigen, die im Nordpolargebiet gefördert werden soll“, schließt Nadorschkin.
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