Ljudmila Ulizkaja
Legion MediaStellen Sie sich einmal vor: Tolstoi, Dostojewski und Tschechow würden in einer intelligenten Dame wiedergeboren. Ihre Romane und Erzählungen über Liebe und Tod, Menschen und deren Professionen würden zu Bestsellern der Gegenwartsliteratur über die sowjetische und post-sowjetische Realität Russlands. Die Autorin würde in aller Welt übersetzt und prägte so das literarische Russlandbild überall. Die zeitgenössische Klassik wäre geboren.
Und etwa so geschah es mit Ljudmila Ulizkaja. Am 21. Februar 2018 wird die Grande Dame der modernen klassischen russischen Literatur 75 Jahre alt.
Nachkriegszeit, Sowjetunion: Sonetschka (russische Koseform für Sonja) ist nicht attraktiv. Aus der alltäglichen Welt voller Probleme entflieht sie regelmäßig in die Fantasiewelt der Bücher, die sie liest. Selbst ihre Hochzeit und die Geburt ihrer Tochter scheinen sie nur zeitweise in die Realität zurückzuholen…
Erstmals erschien die Erzählung „Sonetschka“ 1992 in der Literaturzeitschrift „Nowyj Mir“ („Neue Welt“) und machte Ulizkaja berühmt. Das Buch stand 1993 auf der Shortlist des Booker Prize.
Medea trägt den Namen der zauberkundigen Tochter des Königs Aietes aus der griechischen Mythologie und lebt als letzte noch lebende Nachkommin der Tauriden – so hießen die Inselbewohner zu Zeiten der griechischen Herrschaft – an der malerischen Krimküste. Anders als ihre Namensvetterin jedoch zerstört diese Medea nicht ihre Familie. Im Gegenteil, sie sieht ihre Familie als Kraftquelle und Rückzugsort.
Dennoch zeigt Ulizkajas Familiensaga nicht nur private Momente der Protagonisten, sondern zeichnet ein Bild einer ganzen Generation, einer Zeit und einer Insel, die heute mehr denn je in aller Munde ist.
Dr. Pavel Kukozkij besitzt die Gabe des Röntgenblicks und sein ganzes Leben damit zugebracht, Tausenden Frauen zu helfen schwanger zu werden und ihre Kinder auszuliefern. Er riskierte sogar illegale Abtreibungen, als jene noch unter Strafe standen. Doch dann schlägt das Schicksal zurück: Allen konnte er immer helfen, aber seiner Frau und seiner Tochter nicht.
Dieses Buch wirft einen Blick auf drei Generationen sowjetischer Moskauer und deren Schwanken zwischen Leben und Tod.
Diese Erzählung basiert auf einer wahren Begebenheit und spielt zu Zeiten der Nazi-Okkupation in Russland während des Zweiten Weltkrieges. Ulizkaja beschreibt den unglaublichen Lebensweg des polnischen Juden Daniel Stein, der anderen Juden half, aus dem Ghetto zu fliehen. Dann floh er auch selbst.
Mit seinem sprachlichen Talent konnte er der belarussischen Polizei, der deutschen Gestapo und sogar später dem sowjetischen Geheimdienst NKWD nützlich sein.
Kritiker feierten das Werk als “besten postmodernen Stil” und lobten den kollagenartigen Stil aus Briefen, Tagebucheinträgen und Protokollen, die das zeitlose Rätsel neu aufgäben: Wie kann man sich selbst treu bleiben und dennoch die brutalsten Zeiten überleben?
(Hanser, München 2012 und dtv, München 2014)
Diese Erzählung spielt in der Zeit zwischen dem Tod Josef Stalins 1953 und dem Josef Brodskijs 1996. Aus einem Patchwork aus Episoden, die auf den ersten Blick völlig willkürlich wirken, wird ein Netz aus dünnen Verbindungsstücken.
Ulizkaja sah es als ihre Pflicht an, auch eine Geschichte über die Zeit der sogenannten 60er-Jahre-Poeten zu schreiben.
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