Geführt vom Gebet
Das Kloster des Heiligen Nilus auf der Stolobny-Insel im Seligersee im Twerer Gebiet , im Russischen auch oft als Nilowa Pustyn bezeichnet, geht auf den Mönch Nilus zurück, der im späten 15. Jahrhundert in der Region Nowgorod geboren wurde. Schon in jungen Jahren verwaist, trat er in das Kripezky-Kloster bei Pskow ein und nahm den Namen St. Nilus von Sinai an, einem byzantinischen Mönch und Theologen aus dem 5. Jahrhundert.
Im Jahr 1515 zog Nilus dann mit dem Segen seines Abtes für eine strengere Form der monastischen Isolation in Wald. Dort wurde er dann von denen besucht, die seinen Segen und seine Gebete suchten.
Nach 13 Jahren im Wald machte sich Nilus 1528 auf zu einer bis dato unbewohnten Insel in einer der vielen Buchten des Seligersees. Nach einem ganzen Leben in Gebet und Selbstaufopferung starb Nilus dann im Dezember 1555 ebenda. Nach seinem Tod wurde er dort stark verehrt und 1756 als russisch-orthodoxer Heiliger anerkannt.
Eine Gruppe von Mönchen aus einem nahe gelegenen Kloster sammelte sich in Gedenken und Verehrung des dort verstorbenen Heiligen auf der Insel. Der Mönch Herman und seine Brüder errichteten dann in den Jahren 1591 bis 1594 eine dem Dreikönigsfest geweihte Holzkirche. Kurz darauf gab Patriarch Hiob der neuen Gemeinde Nilowa Pustyn seinen Segen.
Konstruiert und rekonstruiert
In den folgenden 150 Jahren sah sich das Kloster immer wieder mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert, überlebte jedoch dank der steten Unterstützung der Moskauer Fürsten. Die älteste bis heute erhaltene Kirche des Klosters entstand in den Jahren 1699 bis 1700 neben dem Klosterkrankenhaus errichtet und wurde – natürlich – dem Heiligen Nilus geweiht. 1723 als Allerheiligenkirche eröffnet, wurde sie im 19. Jahrhundert umgebaut. Dabei wurden ihre traditionellen fünf Kuppeln auf eine einzige reduziert. Die Kirche wurde in der Sowjetzeit schwer beschädigt und befindet sich derzeit in Restaurierung.
Die meisten Nilow-Kirchen wurden dann ab Mitte des 18. Jahrhunderts aufgebaut. Zu den besser erhaltenen gehört die Kirche des Heiligen Nilus von Stolobny, ein barockes Bauwerk am Osttor des Klosters aus den Jahren 1751 bis 1755.
Den Hauptplatz beherrscht die Epiphanie-Kathedrale mit ihrem Glockenturm. Ende des 16. Jahrhunderts gab es auf der Insel auch eine Dreikönigskirche, die im Laufe der Jahrhunderte mit dem Ausbau des Klosters wieder aufgebaut wurde.
Das Kloster wurde im Mai 1820 von Kaiser Alexander I. besucht. Im folgenden Jahr begann die Arbeit an der heutigen Kathedrale, einem großen neoklassizistischen Bauwerk, das von dem wichtigen italienisch-russischen Architekten Carlo Rossi entworfen, dann jedoch von einem anderen bedeutenden Sankt Petersburger Architekten, dem Franzosen Joseph-Jean Charlemagne, vervollständigt wurde (1782-1861). Die Kathedrale wurde 1833 geweiht.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden weitere Bestandteile des Ensembles vervollständigt, die neuen Teile waren in einer Mischung aus neoklassizistischem und klassizistischem Stil gehalten. Die massiven Granitfundamente und steilen Böschungen zwischen Süden und Osten verstärkten die stilistische Anlehnung an die damalige Hauptstadt des zaristischen Russlands: Sankt Petersburg.
Zwischen Gefängnis und Lazarett
Nach der bolschewistischen Revolution war das klösterliche Ensemble einem weitverbreiteten Vandalismus ausgesetzt. Ab 1928 wurde es geschlossen und weiter vor allem als Gefängnis genutzt. Das Klostergelände geriet während des Zweiten Weltkriegs in die Nähe der Frontlinien. Die Kämpfe begannen im Herbst 1941 und dauerten bis zum Januar 1943.
Das Kloster selbst wurde während des gesamten Krieges als Lazarett genutzt. Von 1945 bis 1960 beherbergte es jugendliche Delinquenten, dann wurde es noch ein Jahrzehnt lang als Altenheim genutzt.
Im Jahr 1990 wurde das Kloster der orthodoxen Kirche zurückgegeben, und im folgenden Jahr die erste Liturgie in einem Teil der Epiphanie-Kathedrale gefeiert. Im Jahr 1995 wurden auch die Reliquien des Heiligen Nilus zurückgegeben.
Die Restaurierung des architektonischen Ensembles ist eine langfristige Arbeit, bringt jedoch schon jetzt jedes Jahr bedeutende Fortschritte.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte der russische Chemiker und Fotograf Sergej Prokudin-Gorski ein aufwändiges Verfahren für die Farbfotografie. Seine Vision der Fotografie als eine Form von Bildung und Aufklärung zeigt sich besonders in seinen Fotografien der mittelalterlichen Architektur historischer Siedlungen wie Susdal und Wladimir. Zwischen 1903 und 1916 reiste er durch das Russische Imperium und schoss mit seiner neuen Technik über 2000 Fotografien, die drei Aufnahmen auf einer Glasplatte beinhalten. Im August 1918 verließ er Russland mit seiner Kollektion von Glasnegativen und ging nach Frankreich. Nach seinem Tod im Jahr 1944 in Paris verkauften seine Erben diese Kollektion an die Kongressbibliothek. Im frühen 21. Jahrhundert digitalisierte die Bibliothek die Prokudin-Gorski-Kollektion und machte sie für die Öffentlichkeit frei zugänglich. Zahlreiche russische Webseiten führen nun Teile dieser Kollektion auf.