Widerstand in der Zeit der Wirren: Das Borisoglebskij-Kloster

William Brumfield
Dieses architektonische Ensemble ist ein Zeugnis der frühen Moskauer Baukunst. Seine Restaurierung dauert bis heute an.

Die kleine Marktstadt Borisoglebskij befindet sich an einer alten Straße zwischen Rostow und Uglitsch. Das dazugehörige Kloster wurde im Jahre 1363 von den Nowgoroder Mönchen Fjodor und Paulus gegründet und ist den Heiligen Boris und Gleb, zwei jungen Kiewer Fürsten, die zu Beginn des 11. Jahrhunderts als Märtyrer heilig gesprochen wurden, gewidmet.

Schon bald stand das Borisoglebskij-Kloster in der Gunst der Moskauer Herrscher, zum Beispiel bei dem dort im Jahre 1440 getauften Zaren Iwan dem Dritten (1440-1505), ganz weit oben. Sowohl sein Sohn Basil der Dritte als auch sein Enkel Iwan der Schreckliche setzten die königliche Schirmherrschaft über das Kloster fort.

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Der Mauerwerksbau im Kloster begann in den frühen 1520er Jahren während der Herrschaft Basil des Dritten mit der Gründung einer Ziegelei. Zu den Denkmälern dieser Zeit gehören unter anderem die im Jahre 1524 erbaute Kathedrale der Heiligen Boris und Gleb sowie die zwischen 1524 und 1526 errichtete Refektoriumskirche der Verkündigung, deren Entstehung dem Baumeister Grigorij Borisow zugeschrieben wird.

Iwan der Schreckliche (1530-1584) förderte den Reichtum und das Ansehen des Klosters. Seine Art zu regieren führte jedoch auch zu massiven Umwälzungen, deren Auswirkungen bis ins frühe 17. Jahrhundert während eines dynastischen Interregnums und einer nationalen Krise, auch als die Zeit der Wirren bekannt, reichten. Die Lage begann sich erst im Jahre 1613 mit der Thronbesteigung von Michail, dem ersten Romanow-Zaren, zu stabilisieren.

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Das dramatische Leben eines Einsiedlers

Das Kloster der Heiligen Boris und Gleb wurde vor allem durch das Leben und Wirken des Mönches Irenarch (1547-1616) bekannt. Als ortsansässiger Kaufmann bäuerlichen Ursprungs trat Irenarch im Alter von 30 Jahren ins Kloster ein und nahm eine radikal asketische Lebensweise an. Mit der Zunahme seines Ruhms suchten immer mehr Menschen seinen Segen. Während der Zeit der Wirren sprach sich der Mönch gegen die polnischen Ansprüche auf den Moskauer Thron aus und suchte nach Unterstützern des nationalen Widerstands, um die polnisch-litauischen Truppen zu vertreiben.

Im Jahre 1612 erreichte Irenarchs Beistand seinen Höhepunkt, als er dem Prinzen Dmitrij Poscharskij und dem Armeeführer Kusma Minin, die beide in erbitterten Kämpfen Moskau zurückerobert hatten, seinen Segen gab.

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Auf Zelluloid gebannte Vergangenheit

Während der Regierungszeit Peter des Großen wurde die Baukapazität in die neu entstandene Stadt Sankt Petersburg umgeleitet und ein Großteil des klösterlichen Reichtums konfisziert.

Dieser Prozess setzte sich mit der Säkularisierung des klösterlichen Landbesitzes während der Regierungszeit Katharina der Großen fort, die den Grundbesitz des Klosters an Graf Grigorij Orlow übergab. Der Statuswert des Borisoglebskij-Klosters wurde damit zwar erheblich gesenkt, dennoch blieb das Kloster im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ein beliebter Wallfahrtsort.

Das im Jahre 1924 geschlossene Kloster der Heiligen Boris und Gleb wurde daraufhin in ein Heimatmuseum umgewandelt. Im Jahre 1994 wurden Teile davon schließlich an die russisch-orthodoxe Kirche zurückgegeben, die sich nun im Besitz des gesamten architektonischen Ensembles befindet.

Der langwierige, komplizierte Prozess der Wiederherstellung des Klosters dauert bis heute an.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte der russische Chemiker und Fotograf Sergej Prokudin-Gorski ein aufwändiges Verfahren für die Farbfotografie. Seine Vision der Fotografie als eine Form von Bildung und Aufklärung zeigt sich besonders in seinen Fotografien der mittelalterlichen Architektur historischer Siedlungen wie Susdal und Wladimir. Zwischen 1903 und 1916 reiste er durch das Russische Imperium und schoss mit seiner neuen Technik über 2000 Fotografien, die drei Aufnahmen auf einer Glasplatte beinhalten. Im August 1918 verließ er Russland mit seiner Kollektion von Glasnegativen und ging nach Frankreich. Nach seinem Tod im Jahr 1944 in Paris verkauften seine Erben diese Kollektion an die Kongressbibliothek. Im frühen 21. Jahrhundert digitalisierte die Bibliothek die Prokudin-Gorski-Kollektion und machte sie für die Öffentlichkeit frei zugänglich. Zahlreiche russische Webseiten führen nun Teile dieser Kollektion auf.

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