Wenn Du mit Russen streitest, schreie lauter als sie, dann gewinnst Du. Das funktioniert immer. Woher ich das weiß? Nun…
Ich war auf der Rückreise von der Olchon-Insel im Baikalsee nach Irkutsk. Der Bus war nicht sehr voll: der Fahrer, ein anderer Tourist, eine Russin und ich. Der Fahrer hielt an einer Tankstelle und wir beschlossen, uns etwas zu essen zu kaufen. Wir wollten unsere Reise definitiv nicht hier beenden, doch als wir aus der Tankstelle kamen, war der Bus weg.
Die Olchon-Insel im Baikalsee
Wladimir Smirnow/SputnikMan stelle es sich vor: Wir waren mitten im verschneiten Sibirien. Meine Ausweise und Habseligkeiten waren im Bus. Mein Mitreisender hatte nicht mal eine Jacke an. Wir gingen zurück in den Tankstellenshop. Dort sprach man kein Englisch, versuchte aber, uns zu helfen so gut es ging. Man half uns, in unserem Hotel in Olchon anzurufen. Olchon ist nicht sehr groß und jeder kennt jeden. Der Hoteldirektor rief den Fahrer an und sagte ihm, er solle zurückfahren und uns mitnehmen. Das tat er und als er da war, schrie er mich sofort an. Ich schrie noch lauter zurück. Da verstand er, dass ich sehr viel ärgerlicher war als er und gab auf.
Die größte Herausforderung meiner Reise waren für mich die niedrigen Temperaturen. In Ulan-Ude waren es -32°C. Tragen Sie immer mehrere Schichten Kleidung. Dann schaffen Sie es auch, bei -20°C zu wandern.
Wenn es in Russland kälter wird, werden die Menschen hilfsbereiter. Insgesamt bin ich überlebensfähiger geworden. Kälte fürchte ich nicht mehr. Ich habe daher noch einige Orte, die ich besuchen möchte, auf meiner Liste: Jakutsk, Kamtschatka und einige Dörfer nahe der Arktis.
Es mag abgedroschen klingen, aber man sollte einiges an Alkohol vertragen, wenn man in Russland zurechtkommen möchte. Die Einladung zu einem Getränk abzulehnen, ist in Russland ein No-Go. Andererseits trinken die Russen gar nicht so viel, wie allgemein angenommen. In Nachtclubs bleiben die meisten Besucher nüchtern. Es hat mehr etwas mit Gastfreundschaft zu tun und damit, den Gästen das gute Gefühl zu verschaffen, dazuzugehören, auch wenn man nicht die gleiche Sprache spricht.
Besonders russisch fühlte ich mich in einer Datscha am Baikalsee. Wir haben dort selbstgemachtes Sushi mit Omul gegessen und waren in der Banja. Die war heißer als erwartet. Man ist nackt bis auf einen Saunahut. Die ganze Zeremonie, inklusive des „Auspeitschens” mit Birkenzweigen, führt dazu, dass man sich anschließend nackt im Schnee wälzt. Wir haben nur Bier getrunken. Nach einer Weile war ich ein wenig betrunken.
Eine andere einmalig russische Erfahrung ist eine Zugfahrt mit „platzkart”, also in der dritten Klasse. Im Gegensatz zur Fahrt in der ersten oder zweiten Klasse, wo Du während der gesamten Reise mit denselben Leuten zusammensitzt, ist die Fahrt mit „platzkart” geselliger und deutlich günstiger. Dabei trifft man auf jeden Fall einige sehr interessante Menschen. Die Zugbegleiterinnen (auf Russisch „provodnitsy”) waren unglaublich hilfsbereit. Die Damen haben mir sehr geholfen: immer, wenn ich mein Handy aufladen wollte, musste ich sie nur anlächeln.
Was auch immer unser Beruf ist, wir Brasilianer haben die Einstellung: „Wir sind gut genug. Lasst uns feiern!” Aber Russen wollen wirklich immer ihr Bestes geben.
Was Russen von den Brasilianern ebenfalls unterscheidet, ist ihr Patriotismus. Sie kennen ihre Geschichte und sind stolz darauf. Anders als die eher auf Individualität bedachten Brasilianer haben sie ein Gemeinschaftsgefühl. In jeder Stadt steht ein Lenin-Denkmal. In Ulan-Ude steht ein riesiger Lenin-Kopf. Der erste Atomeisbrecher, der in Murmansk liegt, wurde nach Lenin benannt. Zum Jahreswechsel singen die Russen um Mitternacht die Nationalhymne. Die meisten Brasilianer sind dann schon zu betrunken.
Verfasst von Daria Aminowa.
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