Kreativität zwischen Weizenfeld und Kuhmist: Kunst in russischen Dörfern

Russische Dörfer sind zwar dem Vorurteil nach seltsame, abgelegene Orte, an denen die Russen angeblich den ganzen Tag Gemüse anbauen und Kwas trinken, sie stecken aber auch voller Kreativität.

Eine gewöhnliche Bushaltestelle

Was erwarten Sie inmitten endloser Weizenfelder? Bestimmt nicht Folgendes:

Das ist kein mit Photoshop bearbeitetes Bild, sondern eine Bushaltestelle des Dorfes Rostowanowskoje in der Stawropol in Südrussland. Über ihr thront der heilige Sankt Georg, der mit seinem Speer einen Drachen durchbohrt. Diese kanonische Szene ist auch auf Moskaus Wappen zu sehen.

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Die ägyptischen Pyramiden

Die Herstellung von Skulpturen in der Dorfwerkstatt war während der Sowjetzeit eine Herausforderung, da das Dorf ein riesiger Kolchoskomplex war. Schließlich fand eine „Kulturrevolution“ im Dorf Alexandrowskoje, 1 500 Kilometer südlich von Moskau, statt, nachdem ortsansässige Bauern im Fernsehen einen Film über das Aussterben russischer Dörfer gesehen hatten. Einer von ihnen war von dem Gedanken, an einem Ort zu leben, der dazu verurteilt war, vergessen zu werden, so beunruhigt, dass er die Idee hatte, ägyptische Pyramiden und eine Sphinx aus Heu zu formen.

Einer der Künstler, Aleksej Tscharin, änderte sogar seinen Beruf, nachdem er die Installation vollendet hatte. Der ehemalige Student beschloss, vom Programmieren an die Fakultät für Architektur zu wechseln.

Der Plan ging auf und bald darauf hielten vorbeifahrende Autos an den Strohpyramiden an.

Der Regenbogen der sowjetischen Automobilindustrie

Über dem Dorf Konstantinowka, 1 250 Kilometer westlich von Moskau, erhebt sich eine Installation alter Autos aus der Sowjetzeit. In der Grafik sind alle erfolgreichen Projekte der sowjetischen Autoindustrie abgebildet – vom „Saporoschez“ bis hin zu „Moskwitsch“ und „Wolga“.

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Das Hufschmiedhaus

Das Haus könnte durchaus als eine Art direkt aus einem russischen Märchen entspringender „Terempalast“ betrachtet werden. In Wahrheit ist es jedoch das Lebenswerk des fünfzigjährigen Sergej Kirillow, eines Schmiedes aus einem kleinen Dorf namens Kunara, 1 860 Kilometer östlich von Moskau.

Kirillow schuf dieses Beispiel der Volksarchitektur in seinem eigenen Haus. Im Inneren gibt es das Wappen der UdSSR in einem Wandgemälde und eine Kirchenkuppel. Es wird geschmückt von Bräutigamen und Bräuten, Kindern, Rittern und Blumen. Im Haus ist auch eine Zeile aus einem berühmten russischen Lied zu lesen: „Immer lebe die Sonne, immer lebe der Himmel, immer lebe die Mama und auch ich sei immer da.“

Universeller Geist

Universeller Geist

Das kleine Dorf Nikola-Leniwez, 22 Kilometer südwestlich von Moskau, kann sich durchaus glücklich schätzen. Vor mehr als zehn Jahren ließ sich hier nämlich der renommierte Künstler von Land-Art-Projekten, Nikolaj Polisskij, mit seinem aus Anwohnern bestehenden Artell nieder und begann mit seinen Künstlerkollegen großformatige Skulpturen aus gebrochenen Bäumen und Ästen zu schaffen. Später rief er das Festival „Archstojanie“ ins Leben, das mittlerweile weltweit bekannt ist. Jährlich werden dafür auf lokalen Feldern und Wäldern mehrere große Installationen errichtet, die das Dorf zu Russlands Kunstpark Nummer eins verwandeln. Darüber hinaus gibt es dort auch das Kunstwerk namens „Universeller Geist“ –  eine zarte hölzerne „Hemisphäre“, die aus Raketentürmen besteht – zu bestaunen.

Diese 22 Meter hohe, aus großen, verwobenen Rohren bestehende Installation trägt den Namen „Beaubourg“ und ist ursprünglich eine Hommage an den Schöpfer des Centre Pompidou in Paris.

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Elefantenhaus

Dieses Haus in Form eines indischen Elefanten befindet sich in dem 32 Kilometer von Moskau gelegenen Dorf Ostrowtsa. Entworfen wurde es von Aleksej Sorokin, der vor Ort eine eigene kleine Baufirma besitzt. Die Absicht dahinter war es, das Gebäude, das keine Wände oder Trennwände im Inneren besitzt und dessen Böden mit der Wendeltreppe verschmelzen, in ein Werbeobjekt zu verwandeln.  

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