Porträt von Nikolai Gogol von Otto Friedrich Theodor von Möller.
Sein ganzes Leben lang litt er unter Stimmungsschwankungen. Als Gogol seine charakteristischen, grotesken Werke wie „Die Nase“ oder „Der Mantel“ " schuf, tanzte er in Ekstase mitten auf der Straße. Aber diese Freude wurde schnell von Frustration und Angst abgelöst.
Gogols Magnum-Opus „Die toten Seelen“ wurde ursprünglich als Trilogie konzipiert. Die literarische Herausforderung bestand darin, ein facettenreiches Bild der Gesellschaft zu zeichnen, auf das „ganz Russland reagieren würde“. Das Problem war, dass der Perfektionist in Gogol den hohen Standard, den er sich selbst gesetzt hatte, nicht erfüllen konnte.
Der erste Teil von „Die toten Seelen“ erschien 1842 und erhielt gemischte Kritiken. Als der Kritiker Konstantin Aksakow Gogol mit Homer und Shakespeare verglich, konterte der bekannte Publizist Wissarion Belinski: „Gogol ähnelt Homer… so sehr wie der graue Himmel und die Kiefernhaine von St. Petersburg dem strahlenden Himmel und den Lorbeerhainen von Hellas ähneln.“
Nachdem Literaturkritiker Gogol vorwarfen, die Realität absichtlich verzerrt zu haben, schien ihm sein satirischer Roman „Die toten Seelen“ plötzlich unbedeutend zu sein. Als strenger Kritiker seiner selbst sagte Gogol, der erste Teil von „Die toten Seelen“ sei wie „eine Veranda, die ein Provinzarchitekt hastig an einen großzügig geplanten Palast angebaut habe“. Gogol setzte sich sehr hohe Ziele und stellte sich so selbst eine Falle.
Der zweite Teil von „Die tote Seelen“ wurde mit Spannung erwartet. Gogols eigene Äußerungen führten dazu, dass sich unter seinen Freunden das Gerücht verbreitete, der Roman stünde kurz vor der Fertigstellung.
In Wirklichkeit hatte Gogol Mühe, den zweiten Teil zu schreiben. Das Unterfangen löste eine schwere kreative Krise aus. „Ich habe mich gefoltert und zum Schreiben gezwungen, ich habe gelitten und war überwältigt von einem Gefühl der Impotenz ... und doch konnte ich nichts dagegen tun - alles ist schiefgelaufen“, gestand Gogol sich ein.
1845 verbrannte er in einem Zustand emotionalen Durcheinanders zum ersten Mal den zweiten Teil von „Die toten Seelen“. Fünf Jahre hatte er gebraucht, ihn zu schreiben. Er machte sich erneut ans Werk und 1852 übergab er wiederum den fast fertig geschriebenen zweiten Teil von „Die toten Seelen“ den Flammen.
Zehn Tage später, in einer depressiven Phase, starb der Schriftsteller. Offenbar war er verhungert. Er hatte vorgegeben, eine Fastenkur zu machen. Vladimir Nabokov hatte wohl Recht, als er Gogol als „den seltsamsten Dichter und Prosaiker, den Russland jemals hervorgebracht hat“ beschrieb.
Porträt von Alexander Puschkin von Orest Kiprenski.
Je größer das Talent, desto tiefer der Zweifel, so scheint es. Alexander Puschkin war das hellste Licht der russischen Poesie und hatte große Selbstzweifel. Puschkins Notizbücher waren voller herausgerissener Seiten. In früheren Zeiten, als es noch keine Aktenvernichter gab, wählte Puschkin Feuer, um seine Zweifel zu beseitigen. „Pique Dame“ verbrannte den zweiten Teil seines berühmten unvollendeten Romans „Dubrowski“, den Entwurf zu seinem historischen Roman „Die Hauptmannstochter“ und den zum Gedicht „Das Räuberbrüderpaar“.
„Ich habe ‚Das Räuberbrüderpaar‘ verbrannt und sie haben es verdient“, schrieb Puschkin 1823 in einem Brief an den Dichter und Kritiker Alexander Bestuschew.
Der Dichter beendete das zehnte Kapitel von „Eugene Onegin“, seinem berühmten Roman in Versen, in Form von verschlüsselten Quartetten. Puschkin hatte vor, irgendwann später zum Manuskript zurückzukehren, aber dazu kam es nie. Es wird angenommen, dass Puschkin das zehnte Kapitel aus Angst vor politischer Verfolgung zerstört hat, da es darin wahrscheinlich um den Dekabristen-Aufstand ging.
Michail Bulgakow in 1928.
Sputnik„Der Ofen ist bereits zu meiner Lieblingsredaktion geworden“, gab Bulgakow in einem Brief an einen seiner alten Freunde mit einem Hauch trauriger Ironie zu. „Ich mag ihn, weil er, ohne etwas abzulehnen, mit gleicher Bereitschaft Quittungen aus der Reinigung, unvollendete Briefe und sogar, oh Schande, Gedichte aufnimmt!“
Der Autor von „Der Meister und Margarita“ glaubte, dass „Manuskripte nicht brennen!“ Er prägte diesen markigen Satz, um zu verdeutlichen, dass das Werk des Schriftstellers vor allem in seinem Gedächtnis und nicht auf Papier aufgezeichnet ist.
Bulgakow war hart zu sich selbst und verbrannte die erste Version von „Der Meister und Margarita“. Der Roman hatte damals einen anderen Titel. Bulgakow wollte ihn ursprünglich „Der schwarze Magier“ oder „Jongleur mit einem Huf" nennen. Woland sollte der Protagonist des Romans sein. Wissenschaftler glauben, dass der Autor zunächst gar nicht vorhatte, den Roman zu verbrennen, sondern dies eine Kurzschlusshandlung war, als die sowjetische Zensur sein Stück „Die Kabale der Scheinheiligen“ verbot.
„Ein Dämon hat mich besessen…. <...> ”, erinnerte sich Bulgakow später. „Ich fing an, Seite für Seite meines Romans zu beschmieren ... Warum? Ich weiß es nicht. Lasst es uns vergessen!“
Ein Jahr später nahm er die Arbeit an dem Roman wieder auf: Ein Entwurf erschien unter dem Namen „Der große Kanzler“.
Bulgakow verwandelte auch den ersten Entwurf des zweiten und dritten Teils seines Meisterwerks „Die weiße Garde“ in Asche. Ebenso wurden die Tagebücher des Schriftstellers nach dem Lesen ein Raub der Flammen.
Boris Pasternak.
SputnikDer Autor von „Doktor Schiwago“ wollte am Ende seines Lebens keinesfalls ein Vermächtnis hinterlassen. Mit fanatischer Skrupellosigkeit verbrannte Pasternak alle ersten Entwürfe. Wenn der Dichter besonders unzufrieden war, wurde das Werk mit besonderem Eifer vernichtet. Die Zerstörung erwartete nicht nur unvollendete Manuskripte, sondern auch fertige Werke.
Pasternaks Stück „In dieser Welt“, das heftig kritisiert wurde, kam umgehend in den Ofen. Seinen Roman „Drei Namen“, an dem Pasternak ein Jahr geschrieben hatte, ereilte ebenfalls der Feuertod. Er trennte sich ohne Bedauern von dem Manuskript, da es ihn an seine erste Frau Jewgenia erinnerte.
Anna Achmatowa.
Moisei Nappelbaum/SputnikIn der Sowjetzeit zerstörten viele Dichter und Schriftsteller ihre Werke aus politischen Gründen. Sie befürchteten Repressalien des Staates. Zum Beispiel lernte Anna Achmatowa, Verfasserin des Gedichts „Requiem“, das die schrecklichen Jahre der stalinistischen Säuberungen beschreibt, bevor sie ihre einfachen Verse verbrannte, sie auswendig und las ihre neuesten Kompositionen Freunden laut vor, damit diese sie durch Mundpropaganda weitergeben konnten. Zu Achmatowas engsten und vertrauenswürdigsten Freunden gehörte Ossip Mandelstam. Ihre Freundschaft dauerte fast 30 Jahre. Achmatowa sagte, Mandelstam, sei einer der „angenehmsten Redner“, den sie jemals getroffen habe. Ossip wiederum bewunderte Annas Schönheit, ihren Charakter und ihre Authentizität. Er sagte, ihre poetischen Linien könnten „nur chirurgisch entfernt werden“.
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