Warum reisen Sie so oft nach Russland? Liegt es an der Mentalität, den schönen russischen Frauen, weil Sie das Nachtleben lieben?
Das erste Mal war ich in Russland nach der Veröffentlichung von „99 Francs”. Ich hatte plötzlich Erfolg und besuchte Orte mit Leuten, die ich nicht kannte. Aber es gab keinen Small Talk. Mir wurden sofort tiefgreifende Fragen gestellt. Sind Sie glücklich? Sind Sie verliebt? Haben Ihre Eltern Sie geliebt?
Das habe ich in Frankreich nie erlebt. In unserem Land stellen die Menschen solche Fragen erst nach vielen Jahren der Freundschaft. Also fragte ich mich, wer sind diese Leute, diese Russen? Wenn sie ein paar Schlucke Wodka intus haben, werden Sie wirklich sehr intim. Das ist typisch russisch und ich mag das, weil ich keine Zeit mit Smalltalk verschwenden möchte.
Beigbeder im Restaurant Marusja in Moskau, 2010
Ilja Pitalew/SputnikAmerikaner sind genau das Gegenteil. In Amerika wird so getan, als ob Sie Freunde wären: „Du bist unglaublich! Du siehst wunderschön aus! Oh, es ist so wunderbar, dich zu sehen!“ Aber niemals rufen Sie Dich zurück oder stellen Dir ernsthafte Fragen. Du kannst sie immer wieder treffen, nie fragen Sie Dich nach Deinen Eltern oder Deinem Liebesleben.
Das hat mich vor 20 Jahren sehr beeindruckt und deshalb komme ich so oft nach Russland.
Wenn Sie eine Liste russischer Autoren erstellen sollten, die man ins Französische übersetzen sollte, wer würde darauf stehen?
Sie sind bereits übersetzt, aber ich mag sie sehr: Wiktor Pelewin, Ljudmila Ulizkaja, Wladimir Sorokin und Andrei Gelasimow. Ihre Bücher werden bereits in Frankreich verkauft. Ich fände es großartig, neue russische Schriftsteller zu entdecken.
Mein großes Problem mit Russland ist, dass ich kein Russisch spreche. Ich denke, ich könnte einen russischen Pass bekommen wie Gérard Depardieu, aber für mich ist es absurd, einen russischen Pass zu haben, ohne Russisch zu sprechen. Ich werde Unterricht nehmen und Russisch lernen. Das ist der nächste Schritt.
Ihr Buch „L' idéal” spielt in Russland. Sie haben auch einen Film auf der Grundlage des Buches gedreht. Darin zeigen Sie russische Oligarchen, die in ihren Wohnungen Wasserparks errichten. Sehen Sie Russland wirklich als einen Ort für endlose Partys von Models und Oligarchen?
Als ich Anfang der 2000er hier ankam, war das kein Klischee. es war wirklich so! In Moskau und St. Petersburg war es wie in einem Vergnügungspark für Erwachsene. Es war verrückt.
Heute ist es anders. Damals war nach dem Kommunismus das Gefühl, befreit zu sein, sehr stark. Es war beeindruckend: überall Kasinos, riesige Nachtclubs. Es war ein bisschen wie in Shanghai heute. Ja, Shanghai ist ein bisschen wie Moskau vor 20 Jahren.
Natürlich war ich erstaunt über das, was ich gesehen habe: Paris und London waren langweilig, New York war langweilig. Und Moskau war plötzlich der Nabel der Welt für alle Feierwütigen und Freiheitsliebenden. Deshalb habe ich „L' idéal” geschrieben. Es ist inzwischen ein altes Buch. Wer es heute liest könnte denken: „Russland ist nicht so!”. Doch früher war es so! Ich bin froh, dass ich dieses Buch geschrieben habe. So können wir uns daran erinnern, wie es vor 15 Jahren war.
Der russische Film „Elephant”, den Sie in Moskau vorstellen, spielt in St. Petersburg. Welche Stadt bevorzugen Sie und warum?
Es würde mir das Herz brechen, mich entscheiden zu müssen. Kennen Sie das berühmte Sprichwort: Sie müssen in Moskau leben und in St. Petersburg sterben? Ich bin alt und wenn ich in Moskau leben würde, wäre das schlecht für meine Gesundheit (wegen des Nachtlebens…).
Die Schönheit von St. Petersburg, die Kanäle, die Eremitage und dieser Palast in der Nähe von St. Petersburg, Peterhof - ich liebe das. Dazu die Ostsee, Es ist so schön!
Im Mai würde ich mich auf jeden Fall für St. Petersburg entscheiden. Dann finden die Weißen Nächte statt. Sie sind gar nicht weiß, sie tauchen den Himmel in violett und rosarot. Das finde ich einfach großartig!
Sie haben über Russland Filme gedreht und Bücher geschrieben. Was macht Ihrer Meinung nach den Charakter der heutigen Russen aus?
Die Russen haben andere Werte. Werte, die wir in Frankreich wahrscheinlich 1968 verloren haben. Hier sind die Menschen religiöser, familienbezogener. Die russischen Werte sind traditioneller als in Frankreich, Spanien oder Deutschland. Ich weiß nicht, ob es besser ist, aber es ist interessant für mich, das zu sehen! Wir sind wirklich Individualisten in Frankreich oder Amerika. Jeder denkt nur an sich. Ich bin mir nicht sicher, ob die Leute in Russland auch so sind. Ich denke, sie sind es noch nicht.
Sie sagen, vor 15 Jahren sei Russland eine einzige Party mit Oligarchen und Models gewesen. Wie hat sich die Gesellschaft im Laufe der Jahre verändert?
Zum Beispiel war ich an diesem Wochenende mit dem bekannten russischen Schriftsteller und Journalisten Sergei Minajew unterwegs. In den Straßen saßen viele Menschen, mit Wein und anderen Getränken. Das hat es vor 15 Jahren nicht gegeben. Da war niemand auf der Straße. Sie hielten sich in Häusern, Clubs oder in ihren Limousinen auf, aber niemand ging raus, um etwas zu trinken.
Moskau ist Paris ähnlicher geworden und es ist großartig! Sergei sagte zu mir: „Ich habe Moskau noch nie so gesehen, noch nie!” Es passiert etwas Gutes, die Leute gehen nun vor die Tür.
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